Messerundgang am ersten Tag mit Bundeskanzler Olaf Scholz und dem indonesischen Staatspräsidenten Joko Widodo. Die Stationen machten deutlich, wie sehr das Thema einer nachhaltigen Transformation die Hannover Messe 2023 bestimmt.
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Es ist, als ob die Hannover Messe aus dem Pandemie-Schlaf erwacht – und das mit einem neuen Schwerpunkt. So scheint es jedenfalls, wenn man beim Kanzlerrundgang Olaf Scholz und dem indonesischen Präsidenten Joko Widodo folgt. Natürlich, die Stationen sind danach ausgesucht, aber trotzdem: Klimaneutralität, CO2-Vermeidung, Nachhaltigkeit, ressourcenschonende Produktion sind allgegenwärtig. Digitalisierung ist in der Selbstverständlichkeit angekommen, Industrie 4.0 ist als Begriff nicht mehr das allgegenwärtig. Eher wird nun betont, wo denn schon Künstliche Intelligenz zu finden ist.
Ein weiteres Schlagwort: Manufacturing-X. Ein gemeinsamer, von der Industrie vorangetriebener gemeinsamer virtueller Raum zum Austausch von Daten, der auf der Hannover Messe vorgestellt werden soll. Phoenix Contact, Automatisierungs- und Elektronikspezialist aus Blomberg mit großer Dependance in Bad Pyrmont, sieht sich als Treiber bei Manufacturing-X. Unternehmenschef Frank Stührenberg wies beim Messerundgang von Olaf Scholz und Joko Widodo darauf hin, dass für die industrielle Transformation ein solcher Datenaustausch unverzichtbar sei. Phoenix Contact kommt, und hier zeigt sich dann das Thema Nachhaltigkeit mit Steuerungssystemen für intelligente Stromnetze oder für Windparks. Das Unternehmen liefert auch Technik für Indonesiens neue Hauptstadt, was Joko Widodo erfreut zur Kenntnis genommen haben wird. Auch am Siemens-Stand gab es eine Verbindung nach Indonesien: Der Konzern wird dort eine Batteriefabrik bauen. Digitale Simulation bei der Entwicklung von Batterien soll dabei Ressourcen sparen. So werden etwa Temperatur und Luftfeuchtigkeit in Indonesien berücksichtigt.
Der indonesische Staatspräsident präsentierte selbstbewusst sein Land als zukunftsgewandt, grundsätzlich optimistisch und offen für Investoren. Man wolle die industrielle Transformation und verfolge ebenso das Ziel einer Klimaneutralität bis 2060. Olaf Scholz betonte insbesondere die gemeinsamen Werte: Indonesien ist die drittgrößte Demokratie der Welt. Widodo nahm die Gemeinsamkeit auf: „Let’s sail together“ – gemeinsam unterwegs sein, sagte er und spielte damit auf das Leitmotiv der indonesischen Beteiligung an: Eine unendliche Reise, unter dem stilisierten Bild einer Pinisi, des in der Inselwelt Indonesiens verbreiteten Segelschiffs. Widodo wies auf Vereinbarungen in einem Umfang von insgesamt 1,8 Mrd. Euro hin, die auf der Messe geschlossen werden sollen.
Zack: Das lässt sich nicht so leicht ins Englische oder Indonesische übersetzen. „Zack“, sagte Susanne Kinschert, als die automatische Zugangskontrolle Scholz und Widodo eine Tür öffnete. Kinschert ist geschäftsführende Gesellschafterin des Automatisierungs- und
Sicherheitsspezialisten Pilz aus Ostfildern. Scholz mit 3D-Brille, Scholz als Avatar oder eben als Tester für die Zugangskontrolle: Messerundgang eben.
Am Stand des oberfränkischen Familienunternehmens Wöhner ging es noch um einen anderen Aspekt der Künstlichen Intelligenz: Das C14-System des auf Energieverteilung, Steuerungstechnik und erneuerbare Energien spezialisierten Unternehmens erkennt Kurzschlüsse, bevor sie entstehen: Das hilft angesichts fehlender Elektrik- und Elektronik-Fachleute – KI gegen Fachkräftemangel.
Hängengeblieben ist bei Olaf Scholz besonders der Besuch beim Ventilatorenhersteller EBM Papst: Der Messestand in Hannover – einschließlich der Begrüßung des Bundeskanzlers und des indonesischen Staatspräsidenten – wurde von Auszubildenden und dual Studierenden. Weshalb Olaf Scholz ganz nebenbei eine Lanze für das deutsche Ausbildungssystem brach: Wer eine Ausbildung macht, das wiederholte der Kanzler auch nochmal in seinem Abschlussstatement, macht alles richtig. Deutschland habe hier eine große Tradition, die aber auch gepflegt werden müsse, so der Kanzler. EBM Papst gehört zu den starken deutschen Mittelständlern, die auch die Hannover Messe prägen, und ist in Mulfingen zuhause – das liegt zwischen Stuttgart und Würzburg.
Noch zwei weitere Unternehmen erwähnte Olaf Scholz nach seinem Rundgang, und beide stehen für das große Messe-Thema Nachhaltigkeit. In Hannover zeigt die Essener IFM electronic Unternehmen Filtrationssysteme für Wasser, sensorgesteuert mit KI-Elementen. Und der Automatisierungsspezialist Festo erwähnte der Kanzler mit der Weiterentwicklung eines Bioreaktors, dessen Vorläufer schon 2022 in Hannover zu sehen war. In dieser Anlage können Algen für verschiedenste – noch zu entwickelnde – Zwecke unter optimalen Bedingungen wachsen. Auch das ein Aspekt der Nachhaltigkeit: Algen können, unter anderem, CO2 binden. Durchaus typisch also für die Schwerpunkte der Hannover Messe 2023, von der Messechef Jochen Köckler eine Botschaft erwartete: Die Industrie kann ihren Beitrag gegen den Klimawandel leisten.
Und das sah auch Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies nach dem Kanzler-Rundgang so: Die Hannover Messe wird zu einer Umweltschutz-Messe. Für die Grundstimmung in den 15 Messehallen gilt das auf jeden Fall.