Rund 4000 ausstellende Unternehmen und Institutionen haben sich im Vorfeld zur Hannover Messe angesagt, die in diesem Jahr erstmals nach der Pandemie vom 17. bis zum 21. April wieder zum angestammten Frühjahrstermin stattfindet. Das Thema in diesem Jahr ist vor allem auch eine Botschaft.

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Es ist, als ob allein schon die Zeitläufte dafür sorgen, dass die Themen der Hannover Messe immer schärfere Konturen bekommen, ihre Bedeutung immer weiter steigt. Das zeichnete sich schon im vergangenen Jahr ab und setzt sich 2023 fort. Automatisierung in der Industrie: Das war lange eher spröde und schwer zugänglich. Industrie 4.0 hat das ein Stück weit geändert, das Thema war plötzlich attraktiv, vielleicht sogar sexy.

In der Pandemie jedoch stockten Lieferketten. Seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine sprang nicht nur die Frage nach einer sicheren, bezahlbaren Energieversorgung nach ganz oben auf die Tagesordnung: Auch die globalen Wirtschaftsbeziehungen stehen auf dem Prüfstand. Es war eine andere Welt, in der im Frühjahr 2019 eine Hannover Messe letztmals vor der Pandemie stattfand. Vier Jahre ist das her und doch nicht weit weg: Die Zeit scheint zusammengeschrumpft.

Damals bereits und heute nur noch drängender steht aber der Kampf gegen den Klimawandel über allem: „Die Aufgabe unserer Generation“, sagte Messechef Dr. Jochen Köckler. Dabei spielt die Industrie eine entscheidende Rolle, so Köckler  Klar: Indem nicht nur die Produktion, sondern auch die Produkte klimafreundlicher, besser noch klimaneutral werden.

Herausforderungen nur technologisch lösbar

Im Vorfeld der Hannover Messe noch einmal herausgestellt: Bioreaktor von Festo.

Im Zusammenspiel von Software und Maschinen, dem Kernthema der Hannover Messe, entstehen erhebliche Energieeinsparpotenziale Etwa helfen „Smart Energy Monitoring“-Lösungen, den Energieverbrauch von Maschinen zu ermitteln, zu optimieren und damit den CO2-Fußabdruck zu reduzieren. Die Herausforderungen unserer Zeit lassen sich nur technologisch lösen, erklärte Köckler. Und von Hannover solle die Botschaft ausgehen, „dass die Industrie das kann.“

Auf dem Messegelände werden die Lösungen für eine klimaneutrale Industrie gezeigt: Das stellt Köckler im Vorfeld alsLeitmotiv über die Hannover Messe 2023. Kein Zufall also, dass bei der Vorschau im Februar ein Bioreaktor des schwäbischen Automatisierungsspezialisten Festo im Mittelpunkt stand. Damit lassen sich Algen züchten, die – zum Beispiel – bei der Fotosynthese drastisch mehr CO2 binden als Landpflanzen. Die Bedingungen für die Algen werden dabei ständig kontrolliert und optimiert – ein möglicher Ansatz für die industrielle Biologisierung von morgen, meint man bei Festo. Und der war schon 2022 in Hannover zu sehen, lag auf der Rundgangsroute von Wirtschaftsminister Robert Habeck: Automatisierung nicht nur in Gestalt von Robotern, auch das gehört längst zur Industriemesse.

Natürlich: Die digitale Transformation, Vernetzung, Industrie 4.0 bleiben, wie in den vergangenen gut zehn Jahren, prägende Themen auf der Messe. Aber es ist doch eine spürbare Akzentverschiebung: Nachhaltigkeit wird betont in dieser ersten wirklichen Nach-Corona-Ausgabe der Messe: Im vergangenen Jahr kehrten zwar rund 3000 Unternehmen und Institutionen auf das Gelände unter dem Hermeskopf zurück, aber noch nicht zum angestammten Frühjahrstermin, sondern Ende Mai. Jetzt ist auch das wieder in der Spur. „Endlich“, sagt Joachim Köckler. Abends am 16. April eröffnen Bundeskanzler Olaf Scholz und Joko Widodo, Präsident des Partnerlandes Indonesien, die Messe. Vom 17. bis zum 21. April läuft dann das Gipfeltreffen der Industrie. Rund 4000 Einträge zählt die Ausstellerliste wenige Woche vor der Messe. Zum Vergleich: 2019 waren es 6500. Trotz aller internationaler Verwerfungen und Risiken strebt man bei der Messe diese Zahl auch wieder an: Das Jahr 2027 gilt dabei aktuell als realistisches Ziel.

Ein wichtiger Schritt ist die Rückkehr der chinesischen Ausstellenden. Rund 1000 werden es in diesem Jahr sein. Nach der Aufhebung des Lockdowns sei das sehr schnell gegangen, heißt es bei der Messe.

Aber auch wenn Klimaschutz, Energie- und Ressourceneffizienz sich in diesem Jahr noch mehr in den Vordergrund schieben: Neu sind diese Themen in Hannover keineswegs. Energie begleitet die Messe als Ausstellungsschwerpunkt seit langem, Pipeline-Technik und Windkraft prägten Messehallen. Heute sieht sich die Hannover Messe zum Beispiel als größte Plattform für den „Energie- und Hoffnungsträger Wasserstoff“. Rund 500 Unternehmen zeigen, was sie für die Erzeugung, den Transport, die Speicherung und den Verbrauch von Wasserstoff zu bieten haben. Von ihnen sind allein 300 im Ausstellungsbereich Hydrogen + Fuel Cells Europe unterwegs, der im Rahmen der Hannover Messe veranstaltet wird, darunter Unternehmen wie Bosch, Schaeffler, Siemens oder Linde. Über 8000 Quadratmeter umfasst die Hydrogen + Fuel Cells, es wird zwei Foren geben, und neben Deutschland kommen die meisten Aussteller aus Europa sowie aus China, Japan, Südkorea, den USA und Kanada. Auch Norwegen ist stark vertreten mit allein 14 Unternehmen. Und aus Belgien kommt laut Fraunhofer die effizienteste Technologie zur Herstellung von Wasserstoff.

Künstliche Intelligenz im Fokus

Zurück zur digitalen Transformation der Industrie: Digitalisierung, das ist sowohl Herausforderung als auch Werkzeug. Industrie 4.0 bleibt dabei ein Schlüsselbegriff: Die Hannover Messe sei das perfekte Schaufenster dafür, das betont einmal mehr die Deutsche Messe.Sie müsste es aber nicht. Wie oft wurde nicht schon darauf hingewiesen, dass Industrie 4.0 von Hannover aus in die Welt getragen wurde? Mit dem Erfolg einer neuen Begeisterung für die Automatisierung und die Digitalisierung. Das lockte viele junge Menschen in die Industrieunternehmen.

Noch immer ist Industrie 4.0 auf dem Weg. Damit ihr volles Potenzial erschlossen werden kann, braucht es Daten. Viele Daten, auf die alle am Wertschöpfungsprozess beteiligten Unternehmen zugreifen können. Ein neues, zusammenhängendes Datenökosystem soll Abhilfeschaffen: Manufacturing X. Vorangetrieben wird diese Vision einer souveränen und sicheren Datenplattform etwa von den Wirtschaftsverbänden BDI, VDMA und ZVEI. Im Schulterschluss mit dem Bundeswirtschaftsministerium werden in Hannover die ersten Schritte zur Umsetzung von Manufacturing X vorgestellt.

Künstliche Intelligenz im Fokus Industrie 4.0 ist aber nicht mehr das alleinige Banner für die digitale Transformation der Industrie. Wichtig vor allem ist ein weiteres, auf dem nur zwei Buchstaben stehen: KI. Künstliche Intelligenz dürfte eines der Top-Themen der diesjährigen Industriemesse werden. Optimierung von Prozessen, Simulation, Test und in der Produktentwicklung. Die Messe organisiert deshalb geführte Touren zu Ausstellenden, die KI-Lösungen anbieten, dazu ein eigenes Diskussionsformat.

Nur im Zusammenspiel von KI und der Automation von Prozessen werden Unternehmen in den nächsten Jahren wettbewerbsfähig bleiben: Die Messe beruft sich dabei auf den KI-Experten Professor Dr. Sepp Hochreiter von der Universität Linz, der in Richtung Industrie schlicht und ergreifend mahnt: „Vermasselt es nicht.“

Am zweiten Messetag etwa präsentiert das Unternehmen Monolith AI im Rahmen des Industrial AI-Events auf der Industrial Transformation Stage in Halle 3 seine Lösung für die Simulation im Maschinenbau. Der Monolith AI-Ansatz geht noch weiter als die boomende Simulationsbranche. Jede durchgeführte Simulation entwickelt ein Modell weiter, denn die Macher setzen auf Echtzeitdaten. Das bedeutet, der Maschinenbau könnte sich zahlreiche Tests sparen. Zusätzlich macht die KI dem Entwickler basierend auf den Echtdaten Vorschläge zu seinem Produkt. Die Engländer haben ambitionierte Ziele: Bis 2026 soll die Produktentwicklungszeit von 100.000 Ingenieurinnen und Ingenieuren um 50 Prozent reduziert werden.

Aber nicht nur die Produktentwicklung, sondern auch maschinelles Lernen ist ein Thema beim Industrial AI-Event. Und das Thema Sprachsoftware ist ohnehin ein Muss: ChatGPT oder das ebenfalls vom US-Unternehmen OpenAI entwickelte Dall-E, das Bilder produzieren kann, bieten Unterstützung beim Texten, Programmieren und Designen.

Klimaneutrale Produktion, Wasserstofftechnologie, Energiemanagement. Die Hannover Messe zeigt das zusammen mit den Möglichkeiten der Industrie 4.0, die durch Echtzeit-Datenübertragung über den 5G-Standard und durch Künstliche Intelligenz noch größer werden. Aber es sind auch die klassischen Themenbereiche, die hier eine Rolle haben. Neue Materialien gehören dazu, ebenso wie das Thema Leichtbau. Zum vierten Mal wird es im Rahmen der Messe einen Leichtbau-Kongress geben, veranstaltet vom Bundeswirtschaftsministerium.

Thema: Leichtbau in der Kreislaufwirtschaft. Die Verzahnung der verschiedensten Industriebereiche auf dem Messegelände in Hannover, lange schon ein Merkmal der Industrieschau, ist auch eine Stärke angesichts neuer Herausforderungen. Von der Digitalisierung und Automatisierung komplexer Produktionsprozesse über den Einsatz von Wasserstoff zur Energieversorgung von Fabriken bis hin zur Anwendung von Software zur Erfassung und Reduzierung des CO2-Fußabdrucks: „Nur im Zusammenspiel dieser Technologien wird es gelingen, unseren Wohlstand nachhaltig zu sichern und gleichzeitig den Klimaschutz voranzutreiben“, so Messechef Köckler. Wenn das als Botschaft in diesem Jahr von Hannover ausgeht, dann ist es die die richtige Messe zur richtigen Zeit.

www.hannovermesse.de

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