Mit drei Maschinen, die jetzt in die Türkei gehen, setzt die Hildesheimer AutoGyro GmbH auf den Einstieg in die professionelle Nutzung.

Wichtiger Schritt für den Tragschrauber-Hersteller Autogyro: Drei Maschinen wurden Ende Januar in Hildesheim an die türkische Jandarma übergeben, eine der beiden Polizeiorganisationen des Landes. Die zweisitzigen Drehflügler sollen zum Beispiel den Straßenverkehr überwachen, bei der Suche und Rettung von Vermissten eingesetzt werden oder Waldbrände erkennen helfen. Es ist das erste Mal, dass Autogyro-Tragschrauber für solche Aufgaben genutzt werden. Die Hoffnung der Hildesheimer: Jetzt einen Fuß in der Tür zu haben, um künftig weitere Betreiber mit ähnlichen Einsatzzwecken zu gewinnen. Bislang werden die rund 3000 bislang gebauten Maschinen nahezu ausschließlich privat genutzt.

Jetzt auch Höhenflüge …

Die Polizeimaschinen für die Jandarma – Stückpreis 280.000 Euro – basieren auf dem Autogyro Cavalon, einem von drei Baumustern des 1999 gegründeten Unternehmens. Die Version für die Türkei hat einen turbogeladenen Rotax-Motor mit gut 140 PS, der Flüge in größeren Höhen ermöglicht, also auch in Gebirgsregionen. Vor allem wurde der Flieger aber umfassend mit Elektronik ausgerüstet. Neben dem Navigations- und Kommunikationssystemen gehören dazu ein Autopilot und eine Kamerasystem des ukrainischen Herstellers UKRSpec. Das ermöglicht hoch aufgelöste Bilder bei Tag und Nacht, außerdem Infrarot-Aufnahmen und die Übertragung in Echtzeit.

Kombination von Flugeigenschaften und Elektronik

Elektronik macht den Unterschied: Deutlich mehr Technik als im Standard-Cavalon.

Die Kombination von Tragschrauber, Elektronik und Kamera bedeutet für Autogyro den Sprung in den Bereich professioneller Nutzung, wie auch Geschäftsführer Gerald Speiche bei der Übergabe der Maschinen deutlich machte. Dass die kleinen Fluggeräte dazu geeignet sind, davon ist man im Unternehmen seit langem überzeugt. Hervorragende Sicht, stabile Flugeigenschaften gerade auch bei niedriger Geschwindigkeit sind dafür die Grundlage. Hinzu kommen Betriebskosten, die einen Bruchteil dessen betragen, was ein Hubschrauber verlangt. In den vergangenen Jahren hatte es auch in Deutschland immer wieder Ansätze gegeben, den Tragschrauber professionell zu nutzen, auch von öffentlichen Betreibern. Bislang setzt aber nur die Wekufly OHG aus Burbach einen Autogyro Cavalon für Vermessungsflüge ein.

Die Tragschrauber-Idee stammt aus den 1920er Jahren. Vor 100 Jahren flog in Spanien erstmals eine von Juan de la Cierva gebaute und Autogiro genannte Maschine. Das Grundprinzip: Die rotierenden Tragflächen werden durch den Fahrtwind angetrieben und nicht wie bei einem Hubschrauber durch ein Triebwerk. Wesentlicher Unterschied ist daher, dass ein Tragschrauber nicht selbstständig in der Luft stehen kann. In den Folgejahren wurde die Idee unter anderem in Deutschland bei Focke-Wulf in Bremen weiterverfolgt. Auf der Kinoleinwand hatten Tragschrauber ihre Auftritte bei James Bond und Mad Max.

Idee aus den 1920er Jahren

Vor fast 25 Jahren griff Otmar Birkner in Hildesheim dem Konzept des Tragschraubers wieder auf, zunächst mit einem offenen Modell mit zwei hintereinander angeordneten Sitzen. Später kamen zwei Kabinenversionen mit den Namen Calidus und Cavalon hinzu. Die jetzt übergebenen Cavalon-Maschinen tragen die Zusatzbezeichnung Sentinel, also Wächter, oder auf Türkisch Sentineldie. Die AutoGyro GmbH sieht sich heute als Weltmarktführer bei Tragschrauben, musste aber auch wirtschaftlich schwierige Phasen überstehen. Derzeit werden rund 100 Fluggeräte pro Jahr gebaut.

Hubschrauberpiloten umgeschult

Hinter den deutschen, türkischen und ukrainischen liegen fast drei Jahre Entwicklungszeit. Unter anderem wurden in drei Monaten acht Hubschrauber-Piloten umgeschult und ebenso viele Techniker ausgebildet. Die Übergabe an die Jandarma ist gleichzeitig der Start für die weitere Zusammenarbeit, wie AutoGyro-Vertriebschef Mathias Oesterreich erklärt. Dabei geht es unter anderem darum, wie sich die Zusammenarbeit von Pilot und Beobachter entwickelt. Die Erkenntnisse sollen dann auch in die weitere Entwicklung einfließen, so Oesterreich. Vereinbart wurde bereits eine Option für fünf weitere Maschinen.

Die drei Cavalons werden übrigens per Lastwagen an den Bosporus gebracht. Fliegen wäre aber auch möglich: In Tage, sagt Oesterreich, ist man mit dem AutoGyro in Istanbul.

Technik verändert auch das markante Cavalon-Gesicht: Unter der Kabine ist das Kamerasystem angebracht.

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