Selbst der Aufwärtssprung des IHK-Konjunkturklimaindikators geriet fast zu einer Randnotiz: Das Thema Energie ist aktuell Dreh- und Angelpunkt der wirtschaftlichen Entwicklung. IHKN-Hauptgeschäftsführerin Maike Bielfeldt forderte bei der Vorstellung der aktuellen Konjunkturumfrage eine Ausweitung des Energieangebots. Ab Jahresmitte könnte sich die wirtschaftliche Lage aufhellen.
Leichtes aufatmen, aber weiterhin im Krisenmodus: Nach der aktuellen Konjunkturumfrage der niedersächsischen Industrie- und Handelskammern steigt der IHK-Konjunkturklimaindikator um 23 auf jetzt 85 Punkte. Damit hat der Indikator die Verluste der beiden Vorquartale aufgeholt. Aber: „Keine Entwarnung“, so Maike Bielfeldt, Hauptgeschäftsführerin der IHK Niedersachsen.
Aufhellung nach Mini-Rezession möglich
Verhalten, jedoch mit einer möglichen Tendenz nach oben die Perspektive für 2023 insgesamt: Die ersten beiden Quartale werden nach Ansicht von Bielfeldt schwierig, sie sprach allerdings lediglich von einer möglichen „Mini-Rezession“. Ab dem dritten Quartal könnte sich die Lage dann bessern, wenn beispielsweise klar werde, wie die Hilfepakete wirken, wenn die US-Wirtschaft weiter boome und auch Asien nach Corona wieder komme. Entscheidend sei die Entwicklung in den kommenden drei Monate, so Bielfeldt. Mit Blick auf die nach wie vor hohe Unsicherheit nannte sie keine Zahl für ein mögliches Wirtschaftswachstum in diesem Jahr.
Aktuell beurteilen Niedersachsens Unternehmen die aktuelle Geschäftslage als zufriedenstellend, und die Erwartungen an die kommenden haben sich verbessert. Das allerdings auf niedrigem Niveau: Rechneten im Herbst noch zwei Drittel der Unternehmen damit, dass sich ihre wirtschaftliche Situation verschlechtert, sind es aktuell mit 44 Prozent etwas weniger. Aber damit geht immer noch knapp die Hälfte der Unternehmen von einer Abwärtsentwicklung aus, sagte Bielfeldt.
Chemisische Industrie besonders betroffen
Deutlich schlechter als im Querschnitt der Wirtschaft sieht es allerdings in der energieintensiven Chemischen Industrie aus: Fast drei Viertel der Unternehmen dieser Branche rechnen in den kommenden Monaten mit einer Abwärtsentwicklung: Grundstoffindustrie in der Krise. „Energieintensive Unternehmen haben Schwierigkeiten, ihre Geschäftsmodell kostendeckend aufrechtzuerhalten“, sagte die Hauptgeschäftsführerin und verwies auf erste Standortschließungen oder Produktionskürzungen bei Chemieunternehmen im Raum Nienburg oder in Stade.
Die Chemie gehört zu den von der Energiekrise besonderes betroffenen Branchen. Das Thema überschattet aber derzeit alles. Schon Sprung des Konjunkturklimaindikators nach oben macht das nur allzu deutlich. Im Herbst wurden die rund 1900 Unternehmen auf dem Höhepunkt der Unsicherheit befragt, was Energieversorgung und Preise angeht. Anfang 2023 wird der noch vor Monaten befürchtete Gasmangel zunehmend unwahrscheinlich. Außerdem: „Die Gas- und Strompreisbremsen geben der Wirtschaft in vielen Bereichen eine gewisse Planungssicherheit“, so Bielfeldt. Im Klartext: Die Preisbremsen sind so etwas wie ein Worst-Case-Szenario, eine Grenze nach unten. Bei Industriestrompreisen, die auch jetzt noch beim Zwei- bis Dreifachen des Niveaus vor dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine liegen, steht die Wirtschaft weiterhin unter Druck.
Ob die Energiepreisbremsen ihnen wirklich helfen, können knapp 60 Prozent der Unternehmen heute noch gar nicht beurteilen, so die Ergebnisse der Konjunkturumfrage. Der Grund: Aktuell liegen die Preise unter den Werten, bei denen die Regelungen greifen. Und fast ein Viertel der befragten Firmen erwartet keine Stabilisierung ihres Geschäfts durch die Preisbremse.
Härtefallfonds in Arbeit
An einem Härtefallfonds des Landes wird derzeit noch gearbeitet, unter Beteiligung auch der Industrie- und Handelskammern. Ergebnisse soll es noch in diesem Monat geben. Klare Aussage: „Eine Deindustrialisierung der Grundstoffherstellung und damit eine Zerstörung der regionalen Wertschöpfungsketten muss vermieden werden“, so Bielfeldt. Ähnlich hatte sich Ministerpräsident Stephan Weil auch beim Neujahrsempfang der IHK Hannover Anfang Januar geäußert.
Wenig überraschend stehen Anfang 2023 die Energie- und Rohstoffpreise bei den Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung ganz oben. Fast 80 Prozent der Unternehmen sehen das so, gefolgt dem Fachkräftemangel, der mittlerweile alle Branchen erfasst hat. Mit Sorge blickt die Wirtschaft auch auf die Inlandsnachfrage, geschuldet unter anderem der Inflation.
Energiesparen zeigt Wirkung
Auf die hohen Strom-, Gas- und Kraftstoffpreise reagieren die Unternehmen vor allem mit dem Versuch, Energie zu sparen. Mit deutlichem Effekt: Die Einsparungen in der Industrie haben in Verbindung mit einem bislang milden Winter dazu geführt, dass die Energieversorgung als gesichert erscheint. Hinzu kommen die nach und nach in Betrieb gehenden LNG-Terminals. Weitere Maßnahmen der Unternehmen: Sie wollen die gestiegenen Preise an ihre Kunden weitergeben, und ebenfalls etwa die Hälfte plant Investitionen in die Energieeffizienz.
Das passt zu den Investitionszielen der Unternehmen insgesamt. Ganz oben steht der Ersatzbedarf. Danach folgen Rationalisierung und Umweltschutz – Energiesparen passt zu beiden Motiven. Produktinnovation und Kapazitätsausweitung jedoch spielen bei den Investitionen derzeit eine immer geringere Rolle.
Angebotsausweitung als Gebot der Stunde
Angesichts der überragenden Bedeutung des Themas Energie forderte IHKN-Hauptgeschäftsführerin Maike Bielfeldt deutliche Maßnahmen, um das Angebot insbesondere in der Elektrizität auszuweiten. Nur über eine Angebotsausweitung sei es möglich, die Energieprobleme in den Griff zu bekommen. Wichtiger als Eingriffe in den Markt sind aus ihrer Sicht bessere Rahmenbedingungen für eine schnelleren Ausbau der Netze und mehr Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Mehr Strom produzieren, und ihn dann auch transportieren können: Um hier Fortschritte zu erreichen, sind jeweils vor allem schnellere Genehmigungsverfahren entscheidend, wie Bielfeldt betonte. Sie wies auch auf die Position der IHK-Organisation insgesamt hin, die drei noch verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland bis zum Ende der Krise weiterlaufen zu lassen.