Die Zuwachsraten der Elektromobilität sind enorm. Ihr Anteil am Gesamtverkehr allerdings noch nicht. Ohne einen massiven Ausbau der Ladeinfrastruktur wird der Ausbau der Elektromobilität und damit die notwendige Reduktion der Treibhausgasemissionen im Verkehr nicht erreicht werden können.
Auf den Verkehrssektor entfallen aktuell rund 20 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen Deutschlands. Anders als in anderen Sektoren konnten gegenüber dem Referenzjahr 1990 keine Rückgänge erzielt werden, da Effizienzgewinne durch höhere Fahrleistungen kompensiert wurden. Im Bundes-Klimaschutzgesetz wurde eine Reduktion der Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor bis zum Jahr 2030 um knapp 50 Prozent festgelegt. 2045 soll Deutschland klimaneutral sein. Um dieses Ziel zu erreichen, ist eine grundlegende Umgestaltung der Mobilität erforderlich. Zentrale Säule des Umbaus soll die Elektromobilität sein. Die Zulassungszahlen elektrisch betriebener Fahrzeuge steigen rasant an, wenn auch von einer sehr niedrigen Basis. So verzehnfachte sich der Anteil an rein elektrischen sowie Plug-in-Hybrid-Fahrzeugen am Gesamtbestand zwischen 2018 und 2022 auf 2,5 Prozent. Bei den Neuzulassungen hatten im Juni 2022 rund 25 Prozent der Kraftfahrzeuge einen rein elektrischen oder einen Plug-in-Hybrid-Antrieb. Diese Zahlen zeigen aber auch, das der Weg zu einer „elektromobilen“ Gesellschaft noch weit ist. Nach wie vor wird als eines der zentralen Hemmnisse beim Ausbau der Elektromobilität eine unzureichende Ladeinfrastruktur genannt.
Komfortables, leicht zugängliches und ebenso leicht abzurechnendes Laden sind Voraussetzungen für eine schnelle Etablierung der Elektromobilität. Seit Jahren wird ein verstärkter Ausbau der Ladeinfrastruktur angemahnt und durch die Politik auch zugesagt. Der gerade ausgearbeitete Koalitionsvertrag in Niedersachsen sieht eine „Ausbauoffensive für die Elektromobilität“ vor, ohne jedoch ins Detail der tatsächlichen Umsetzung zu gehen. Auch die Bundesregierung hat ihren Masterplan von 2019 überarbeitet und im Oktober mit dem „Masterplan Ladeinfrastruktur II“ eine neue Strategie mit insgesamt 68 Maßnahmen vorgestellt. Aktuell gibt es in Deutschland fast 59000 öffentlich zugängliche Ladepunkte an rund 22500 Standorten, von denen 3600 Standorte mit Schnellladepunkten ausgestattet sind. Niedersachsen hat mit 2132 Ladestandorten und 287 Schnellladestandorten einen Anteil von rund 9 Prozent an den Normallade- und knapp 12 Prozent an den Schnellladestandorten. Der Zuwachs gegenüber dem Vorjahr ist bei Ladepunkten und Standorten enorm. Betrachtet man aber die Zuwächse an Ladepunkten über die vergangenen Jahre, so fällt auf, dass der Zuwachs an Elektroautos inzwischen wesentlich über dem Zuwachs der Ladeeinrichtungen liegt. Bezogen auf Schnellladeinrichtungen ist diese Entwicklung noch deutlicher. Dies unterstützt die vielfach getroffene Aussage, dass der Ausbau der Ladeinfrastruktur den Anforderungen nicht hinterherkommt und einen Engpass für den Zuwachs der Elektromobilität darstellt. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass ein wesentlicher Teil der Ladevorgänge, es wird von rund 80 Prozent ausgegangen, privat stattfindet. Dies sind insbesondere Ladevorgänge „in der Garage“, was besonders in den dafür prädestinierten Gebieten außerhalb der Stadtzentren möglich ist.
Bricht man die Daten zur Ladeinfrastruktur weiter auf die IHK-Region und auf die Landkreise herunter wird schnell deutlich, dass die Ausstattung teilweise recht dünn ist. So gibt es in der IHK-Region 744 öffentliche Ladestandorte mit 2016 Ladepunkten (siehe Abbildung). Schnellladeeinrichtungen sind allerdings nur an 142 Standorte vorhanden. Innerhalb der IHK-Region ist die Situation sehr unterschiedlich. Mehr als die Hälfte aller Standorte und Ladepunkte findet sich in der Region Hannover. Bei den Schnellladeeinrichtungen ist es knapp die Hälfte. Gegenüber dem Vorjahr hat sich die Zahl der Ladepunkte insgesamt um 50 Prozent erhöht, die der Schnellladepunkte sogar verdoppelt. Die höchsten Zuwächse hat dabei die Region Hannover (+ 72 Prozent Ladepunkte / + 215 Prozent Schnellladepunkte). Auffällig ist, dass im Landkreis Holzminden keine Schnellladeinfrastruktur vorhanden ist. Vereinzelt im ländlichen Raum Betrachtet man die Verteilung der Ladestandorte, so fällt auf, dass in den Ballungsräumen eine zunehmend flächendeckende Ausstattung vorhanden ist, im ländlichen Raum öffentliche Ladesäulen aber nur vereinzelt zu finden sind. In weiten Teilen der IHK-Region liegt die Fahrzeit zur nächsten Ladeeinrichtung inzwischen bei unter 15 Minuten. Im ländlichen Raum sind teilweise aber auch Fahrzeiten bis 30 Minuten oder in Einzelfällen auch länger möglich. Zu berücksichtigen ist, dass die Fahrzeit zur Ladesäule noch keine Aussage über die Frequentierung, also über die tatsächliche Verfügbarkeit, angibt.
Schnellladesäulen sind seltener – meist mehr als 15 Minuten entfernt
Deutlich anders stellt sich die Verfügbarkeit von Schnellladesäulen dar. Hier sind in großen Teilen der IHK-Region Fahrzeiten von mehr als 15 Minuten, in Teilen auch über 30 Minuten erforderlich. Allerdings zeigt sich auch deutlich, dass die Erreichbarkeit entlang der großen Verkehrsachsen und in den größeren Städten weit überwiegend gut ist (bis 15 Minuten). Da Schnellladesäulen, insbesondere bei längeren Strecken, notwendig sind, entspricht zumindest die Standortwahl grundsätzlich der Bedarfsstruktur. Allerdings sind beispielsweise Dienstfahrten in den ländlichen Raum so nur schwer zu realisieren, da es nicht nur fraglich ist, überhaupt eine freie Ladeeinrichtung zu finden, sondern auch die Dauer des Ladevorganges den terminlichen Anforderungen meist nicht entspricht. Dies könnte Unternehmen an der Umstellung ihres Fuhrparks auf elektrische Antriebe hindern. Neben der Erreichbarkeit ist auch die Versorgungsdichte, also die Zahl der Ladepunkte bezogen auf die Einwohnerzahl ein wesentliches Kriterium zur Einschätzung der qualitativen Ausstattung (siehe Abbildung).
Tendenziell ist zwar das erwartbare Muster einer Konzentration auf Ober- und Mittelzentren und generell Verdichtungsräume erkennbar, allerdings gilt dies keinesfalls durchgängig. So ist beispielsweise die Ausstattung im Oberzentrum Hildesheim eher unterdurchschnittlich. Auch Teile der Region Hannover haben bezogen auf ihre Einwohnerzahl eine geringe Zahl an Ladepunkten. Demgegenüber hat Nienburg ebenso wie einige Kommunen im Ländlichen Raum die Infrastruktur relativ deutlich stärker ausgebaut. Diese sehr differenzierte Struktur deutet auf eine unterschiedliche Prioritätensetzung der Kommunen beim Ausbau hin. Für einen konsequenten Umbau in eine elektromobile Gesellschaft wird aber eine flächendeckende hochwertige Ladeinfrastruktur erforderlich sein. Es bleibt abzuwarten wie schnell die politischen Vereinbarungen und geplanten Maßnahmen von Bund und Land hier wirken werden.
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Ladesäulen bringen Milliarden
Die Umsätze im Bereich der Ladeinfrastruktur für E-Autos werden bis zum Jahr 2030 allein in Europa auf 40 bis 55 Mrd. Euro steigen. Derzeit sind es 7 bis 8 Mrd. Euro, wie die Analyse „Electric Vehicle Charging Shifts into High Gear“ der Beratungsgesellschaft Bain & Company zeigt. Der Gewinn wird demnach auf bis zu 5 Mrd. Euro zulegen. Autohersteller und -zulieferer sowie Versorger, aber auch Öl- und Gaskonzerne hätten bereits damit begonnen, sich mit Partnern die besten Standorte zu sichern und digitale Plattformen aufzubauen. Das meiste Geld werde laut der Untersuchung zunächst in den Aufbau von Schnellladestationen in verkehrsreichen Regionen fließen. „Viele Fahrer von E-Autos bevorzugen im Alltag das Laden zu Hause oder am Arbeitsplatz und benötigen Schnellladestationen vor allem auf langen Strecken“, erklärt Klaus Stricker, Bain-Partner im Wiener Büro und Co-Leiter der weltweiten Praxisgruppe Automotive und Mobilität. Intelligente Energiedienstleistungen Mittelfristig werden laut Stricker diejenigen Lösungen sehr bedeutsam sein, bei denen das Aufladen mit intelligenten Energiedienstleistungen der nächsten Generation verknüpft ist. Auf solche „Smart Energy Services“ dürfte 2030 bereits etwa ein Drittel des weltweiten Gewinns entfallen. Im Fokus stehen sogenannte „Vehicle-to-Grid-“ und „Vehicle-to-Home“-Konzepte“. Dabei geht es im Kern darum, dass Fahrzeuge nicht nur Strom aus dem Netz beziehen, sondern diesen auch speichern und wieder abgeben können. „Die Batterien von Elektrofahrzeugen werden sich zu einem wichtigen Zwischenspeicher entwickeln, um Angebot und Nachfrage bei der stark schwankenden regenerativen Stromerzeugung auszugleichen“, so Stricker abschließend.