Es ging mit Verspätung los: Nicht nur, dass Umwelt- und Energieminister Olaf Lies einige Minuten später eintraf, auch die Diskussion im Plenarsaal der IHK Hannover nahm am Mittwochabend (14. September) erst nach einem verhaltenen Beginn an Fahrt auf. Geladen zur Wahlarena hatte die IHK Hannover zusammen mit dem Industrie-Club und der Handwerkskammer Hannover.
Der Fraktionsvorsitzende der CDU-Fraktion im Niedersächsischen Landtag, Dirk Toepffer und Lies, verwiesen eingangs mehrfach auf ihre Zusammenarbeit in der Regierungskoalition im Land in den vergangenen Jahren und sparten sich kritische Bemerkungen. Die beiden weiteren auf dem Podium, Anne Kura, Landesvorsitzende der Grünen in Niedersachsen, und Jörg Bode, früherer Wirtschaftsminister und heute stellvertretender Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion, konzentrierten sich eingangs auch darauf ihre Positionen darzustellen, anstatt andere offensiv zu kritisieren.
Wirtschaft braucht bezahlbare Energie – jetzt
Nicht erst als die rund 100 Unternehmerinnen und Unternehmer Fragen an die Politik richten konnten, zeigte sich, welches Thema die Wirtschaft derzeit am meisten bewegt: die Energiekrise, ihre Folgen, die Frage der kurz- und mittelfristigen Versorgungssicherheit und nicht zuletzt die Frage nach bezahlbarer Energie.
Eine konkrete Antwort, wie die Landespolitik hier Abhilfe schaffen will, fiel in der Diskussion nicht. Dirk Toepffer erhofft sich Entlastungen für die Unternehmen, unter anderem durch die aktuellen Pläne der EU-Kommission, die Gaspreise in der EU zu deckeln – eine Idee, die auch Anne Kura begrüßte, um die „Zufallsgewinne bei einigen Energieunternehmen abzuschöpfen“.
In der aktuellen Lage hilft das den Betrieben allerdings nicht. „Die Unternehmen bekommen jetzt Probleme, weil sie die hohen Gaspreise nicht einfach an ihre Kunden weitergeben können“, erklärte etwa Bode. Seine Gegenmittel wären ein zentraler Gaseinkauf in der EU und Prämien als Anreize für den Gasverzicht.
Minister Olaf Lies verwies auf den Erfolg, dass es der Industrie bereits jetzt gelungen sei 20 Prozent Gas einzusparen, durch gesteigerte Effizienz, den Brennstoffwechsel weg vom Gas und auch Produktionskürzungen. Dies mache ihm Hoffnung für die nächsten Monate: „In einem normalen Winter schaffen wir das“, so Lies.
Atomkraftwerke weiter betreiben – oder nicht?
Dafür brauche aus Sicht des SPD-Politikers aber nicht den Weiterbetrieb des Atomkraftwerks Emsland in Lingen. Wenn dann könne es im Süden Deutschland zu Engpässen im Stromnetz kommen, weswegen die Lage der dortigen zwei AKW anders zu betrachten sei. „Lingen aber länger laufen zu lassen, macht es teurer“, sagte Lies. Und es gehöre auch zur Wahrheit, dass man neue Brennstäbe nicht für ein halbes Jahr einsetzen könne. Dann müsse man das AKW für die nächsten vier Jahre laufen lassen. „Wir haben kein Energieproblem, sondern ein Netzproblem“. Es fehlten nun die Leitungen, um den Strom aus Regenerativen Quellen in den Süden zu bringen.
Während Anne Kura hier Lies nicht widersprach – und anderer Stelle mit Nachdruck für den zügigen Ausbau der Windenergie in Niedersachsen warb – machten Toepffer und Bode deutlich, dass sie die Frage nach einem zeitweisen Weiterbetrieb der Atomkraftwerke derzeit anders beurteilen würden. Der frühere FDP-Wirtschaftsminister bot sogar eine Wette an, dass es nach den Landtagswahlen eine andere Entscheidung zum Weiterbetrieb der Atomkraftwerke geben werde. Bereits nach dem Stresstest hätten die Energienetzbetreiber das Weiterlaufen empfohlen.
Die vier auf dem Podium brachten auf Nachfrage des Moderators Martin Brüning auch ihre Positionen zu den Themen Fachkräftemangel und Bürokratie zum Ausdruck. Alle waren sich einig, dass die berufliche Bildung gegenüber dem Studium weiter gestärkt und die Ausstattung der Berufsschulen verbessert werden müsste.
Fachkräftemangel und Bürokratie lähmen
Als es um den schleppenden Ausbau der Photovoltaik im Land ging, machte Dirk Toepffer deutlich, dass hier der Mangel an Handwerkern inzwischen das größte Hemmnis sei. „Selbst wer etwas tun will, muss gerade Monate warten.“
Um den Mangel zu begegnen, dürften Unternehmen, die Fachkräfte aus dem Ausland anwerben, nicht auch noch mit Bürokratie belastet werden. Hier müssten die Ausländerbehörden stärker unterstützen.
Auch die Bürokratie im Zusammenhang mit der aktuellen Grundsteuer-Abfrage war ein Thema in Hannover. Wie groß und hemmend die Bürokratie auch bei der mittelfristigen Bewältigung der Energieversorgung in Deutschland ist, machte ein Unternehmer mit seinem Hinweis deutlich. Denn ihm zufolge müssten allein für den Bau der Stromtrasse Südlink rund 30 Mio. Dokumente vorgelegt werden. Mit der Bürokratie habe man demnach ein sehr langfristiges Problem.