Was gerade in der Welt geschieht, stellt nichts anderes als das Geschäftsmodell der Exportnation Deutschland auf den Prüfstand. Weit mehr noch als die Pandemie hat der Krieg in der Ukraine eine schon seit langem spürbare Entwicklung beschleunigt: Eine von Machtblöcken, Krisen und Sanktionen geprägte Welt droht. Dabei ist schon jetzt die Lage für viele Unternehmen dramatisch. Wegen gestörter Lieferketten fehlen Teile, halb fertige Produkte können nicht ausgeliefert werden – und werden nicht bezahlt. Hinzu kommen sprunghafte Preisänderungen: Angebote werden heute zum Teil nur noch für wenige Stunden garantiert. Und dann ist da das Damoklesschwert einer eskalierenden Energiekrise.

Umso mehr sollte man meinen, dass hausgemachte Probleme abgestellt würden. Doch auf Exportfreigaben des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle wartet man inzwischen nicht Wochen, sondern Monate. Ohne die Bescheide aus Eschborn können viele Maschinen und Güter nicht ins Ausland geliefert werden. Was würde hier zum Beispiel gegen eine Fristenregelung sprechen? Ein vollständiger Antrag gilt automatisch als genehmigt, wenn er nicht nach vier Wochen bearbeitet ist.

Beispiel EU-Medizinprodukteverordnung. Auch hier heißt es warten. Alle Medizinprodukte müssen nach einem neuen Schema neu zertifiziert werden. Aber die Zertifizierer selbst müssen ebenso erst noch einen Zulassungsprozess durchlaufen. Folge: Kaum Termine für die Zertifizierung etablierter Produkte – und das bei einem deutlich teureren Verfahren. Und das ist nicht die einzige Hürde auf dem europäischen Binnenmarkt, der aber immer wichtiger wird: viel zu tun.

Das gilt nicht minder für die Außenwirtschaftsbeziehungen. Der Krieg hat Abhängigkeiten massiv in Frage gestellt. Also gilt es, sich Regionen genauer anzusehen, die man bislang wenig bearbeitet hat. Etwa Afrika: Algier liegt näher an Hannover als Athen, Tunis näher als Lissabon. Dynamisch wachsende Länder wie Kenia, Äthiopien, Ruanda oder Tansania liegen im Vergleich zu China auf halber Strecke – mit Möglichkeiten für Absatz und Beschaffung. Mit Algerien, Tunesien, Marokko, Südafrika und Äthiopien hat Deutschland bereits Energiepartnerschaften abgeschlossen. Unser Erfolgsmodell steht auf dem Prüfstand. Aber wir haben es in der Hand, darauf zu reagieren. Indem wir selbst schneller und besser werden und indem wir alte Strukturen durch neue Verbindungen ergänzen oder sogar ersetzen.

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