Niedersachsens Metall- und Elektroindustrie war schon von Corona gezeichnet, als der Krieg in der Ukraine ausbrach. Wie angespannt die Lage ist, zeigt die aktuelle Konjunkturumfrage von NiedersachsenMetall. Hauptgeschäftsführer Volker Schmidt spricht von einem bisher nie gekannten Pessimismus.

 

Etwa die Hälfte der rund 480 befragten Unternehmen rechnet in diesem Jahr mit teils massiv sinkenden Umsätzen und Gewinnen. Ein Drittel kann die Entwicklung noch nicht abschätzen. Dramatisch steigende Energie- und Rohstoffkosten und Probleme bei den Lieferketten führen zu einer düsteren Perspektive: Abhängig von der Dauer der Krise sieht jedes dritte Unternehmen der niedersächsischen Metall- und Elektroindustrie seine Existenz gefährdet. Und über 60 Prozent rechnen damit, dass sich Materialengpässe bis ins nächste Jahr ziehen werden.

Kein vollständiges Embargo aus Sicht der Industrie

Schon das Preisniveau bei Energie und Rohstoffen zu Jahresbeginn, noch vor dem russischen Einmarsch in der Ukraine, hätte bei vielen Autozulieferer den für das laufende Jahr erwarteten operativen Gewinn aufgezehrt. Aktuell rechnen die Metall- und Elektrounternehmen in Niedersachsen im Durchschnitt mit Kostensteigerungen von 24 Prozent – „ein noch nie von uns gemessener Wert“, sagte Verbandschef Schmidt in Hannover. Neben Strom und Gas nannte er Neon und Nickel als Beispiel für wichtige, vom Krieg betroffene Rohstoffe. Engpässe bei Kabelbäumen belasteten schon früh die Autoproduktion, und in den nächsten Wochen erwartet Schmidt etwa eine weitere Zuspitzung auf dem Papiermarkt – bis hin zu Problemen beim Verpackungsmaterial. Russland sei Deutschlands wichtigster Rohstofflieferant: Auch angesichts moralischer Bedenken sei ein vollständiges Embargo aus Sicht von NiedersachsenMetall nicht möglich, so Schmidt.

Maschinenbau mit vielen Kontakten in die Krisenregion

Nach den Ergebnissen der Konjunkturumfrage von NiedersachsenMetall hat jedes zweite Unternehmen der niedersächsischen Elektro- und Metallindustrie Geschäftsbeziehungen mit Russland, der Ukraine oder Belarus. Der Maschinenbau liegt dabei deutlich an der Spitze, hier haben drei von vier Unternehmen entsprechende Kontakte.

Schmidt wies eindringlich darauf hin, dass die niedersächsische Industrie bereits geschwächt in die durch den Ukraine-Krieg ausgelöste neuerliche Krise gegangen sei. Die Produktion lag in Niedersachsen im vierten Quartal vergangenen Jahres noch um 17 Prozent unter dem Vorkrisenniveau 2018. Besonders betroffen der wichtige Fahrzeugbau mit minus 36 Prozent. Hier macht sich der Rückgang der deutschen Pkw-Produktion bemerkbar, der seit 2017 um mehr als 50 Prozent eingebrochen ist.

Entlastung bei den Energiekosten gefordert

Aus Sicht der Unternehmen sind in der aktuellen Situation vor allem Entlastungen bei den Energiekosten vordringlich: Über 90 Prozent erwarten von der Politik einen Abbau der Energiesteuern und -abgaben. Verbandsgeschäftsführer Schmidt wies insbesondere auf die hohen und „wettbewerbsverzerrenden“ Industriestrompreise in Deutschland hin. Ähnlich hoch wie bei der Kostensenkung auch die Forderung nach gesicherter Energieversorgung. Es sei richtig, so Schmidt, dass die erste Stufe des Gasnotfallplans ausgerufen wurde. Wenn in der dritten Stufe aber ganze Industriebereiche von der Gasversorgung abgeschnitten würden, sei das zu schematisch. Hier forderte er flexible Lösungen, bei denen etwa auch geschützte Bereiche wie Privathaushalte zeitweise eingeschränkt würden, um existenzbedrohende und nicht mehr umkehrbare Folgen in der Industrie zu verhindern. Als Beispiel nannte er die Stahl- oder Glasherstellung, bei der ein Gas-Stopp Produktionsanlagen zerstören würde. Außerdem setzte sich Schmidt dafür ein, die Kurzarbeiterregelungen auch in der jetzt noch verschärften Krise weiterzuführen.

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