Ohne Menschen, die ihre Heimat verlassen und in Deutschland arbeiten wollen, wird der Fachkräftemangel in den kommenden Jahren noch einschnürender werden. Hier stimmen die Prognosen überein. In ihrem neuen Format #ihk_standpunkte: hat die IHK Hannover wie in einem Dossier die Fakten zur Lage und zu den aktuellen gesetzlichen Grundlagen für die Fachkräfteeinwanderung zusammengetragen. Außerdem: Vorschläge der IHK, um die bestehenden Möglichkeiten besser zu nutzen oder zu verbessern.
Ein Kommentar von Prof. Dr. Günter Hirth, IHK Hannover
Noch viel zu tun
Es ist schon richtig: Die Zuwanderung ist über das Fachkräfteeinwanderungsgesetz deutlich erleichtert worden. Das ist eine gute Nachricht, denn wir brauchen Menschen, die nach Deutschland kommen, um hier zu arbeiten und zu leben. Aber aufgeblähte, verschränkte und somit komplizierte Abläufe, die dennoch bestehen, sind kaum mit der flexiblen, digitalen Welt von heute vereinbar. Sie lassen ausländische Fachkräfte und Unternehmen oft verzweifeln. Immer noch werden eine Menge Formulare postalisch oder per E-Mail zwischen Institutionen hin- und hergeschoben, bis eine Fachkraft kommen und bleiben darf. Bei der IHK meldete sich zum Beispiel ein Experte, der in Deutschland gearbeitet hat und jetzt ins Baltikum gegangen ist. Er legt den Finger in die Wunde: Dort wird das gesamte Verfahren zum Aufenthalt online abgewickelt in einem Bruchteil der Zeit und für die gesamte Familie. Auch um die Arbeitsmarktintegration der Familienmitglieder wurde sich sofort gekümmert. Wer dorthin geht, fühlt sich gleich erwünscht. Wir suchen Fachkräfte und es kommen Menschen, oft Familien mit Kindern: Da ist eine Willkommenskultur erforderlich samt „dual career“. In den USA oder Kanada etwa gibt es lange Erfahrung mit der Einbindung von Partnerinnen und Partnern. Denn wenn die keine Entfaltungsmöglichkeiten sehen, kommen begehrte Fachkräfte gar nicht erst oder wandern schnell weiter. Welcome Center, Arbeitgeber und Wirtschaftsförderer haben hier eine Aufgabe. Nicht weniger wichtig für die Integration sind Schule und soziales Einwachsen der Kinder. Wer bleibt schon, wenn der Nachwuchs hier keine Wurzeln schlägt? Und wenn noch nicht alle Unternehmen eine hinreichende Diversitäts- und Integrationskultur haben, kann man das auch als Spiegel einer Gesellschaft verstehen, in der es immer noch keinen Konsens bei diesem Thema gibt. An veralteter Bürokratie, mangelnder sozialer und beruflicher Integration der Angehörigen kann Zuwanderung jederzeit scheitern. Dass sind Anforderungen, denen Behörden und Arbeitgeber begegnen müssen. Sonst wird es trotz Gesetz nichts mit der Zuwanderung.