Die Techtide 2021, der niedersächsische Digitalkongress, startete nachdenklich. Die Publizistin Diana Kinnert lieferte die Vorlage für eine Diskussion auch über die Schattenseiten der Digitalisierung.

 

Vielleicht waren die Techtide-Macher ja von sich überrascht, wie mutig es war, Diana Kinnert einzuladen, bei der Eröffnung des niedersächsischen IT-Kongresses zu sprechen. Und vielleicht war auch Kinnert selbst überrascht, wie dystopisch-dunkel ihre Worte ausfielen: Die Frau mit dem Hut als Markenzeichen war bei der Techtide-Eröffnung aus Tokio zugeschaltet, konnte ihren zuvor aufgezeichneten Vortrag als Beobachterin verfolgen. Live in Japan: Sicher auch bezeichnend für eine Publizistin, deren Wurzeln weltweit verzweigt sind. Und die auch nach Göttingen reichen, wo sie Politik und Philosophie studierte.

Wer also zum Auftakt der Techtide ein Techno-Feuerwerk erwartet hatte, mit einem faszinierten Blick auf die digitalen Zukunftsmöglichkeiten, der wurde enttäuscht. Nachdenklich und fragil, in manchen Passagen fast poetisch kam Kinnerts Vortrag daher. Einsamkeit ist ihr Thema, und das heute, inmitten der sozialen Netzwerke. Denen aber gerade das soziale, das verbindende fehlt. So Kinnert. Einsamkeit in der digitalen Welt: Die Bilder Edward Hoppers, zu deren bekanntesten die 1942 gemalten Nachschwärmer gehören, sind ihr geradezu ein Menetekel für Schattenseiten der Digitalisierung: eine Gesellschaft der Versprengten in einer algorithmisierten Umgebung. Alle miteinander verbunden, aber nicht verbindlich. Mit allen Konsequenzen, die das für eine Gesellschaft haben kann.

Onuora Ogbukagu, Pressesprecher der Deutschen Messe, in deren Digital-Veranstaltungszentrum H’Up die Techtide stattfindet, hatte schon vorab gewarnt: Die Techtide wäre nicht die Techtide, wenn sie nicht auch die Schattenseiten der digitalen Welt zum Thema macht. Und auf jeden Fall zielte Kinnerts Rede genau auf den zentralen Punkt der Techtide 2021: Der Mensch soll diesmal noch stärker iim Mittelpunkt stehen als in den beiden   Der Kongress, so etwas wie ein Kristallisationspunkt der niedersächsischen IT-Szene, dreht sich um Grundrechte, soziale Teilhabe und Inklusion, Selbstbestimmung, innovative Technologien sowie digitale Kompetenz und Souveränität bis hin zu einer widerstandsfähigen und nachhaltigen digitalen Gesellschaft.

Wobei Kinnerts Worte keineswegs unwidersprochen blieben. Digitale Dialektik: Silke Müller, Schulleiterin in Hatten im Landkreis Oldenburg, war anzumerken, wie dringend sie das düstere Bild ändern wollte. Mehr Farbe! Ja, sagte Müller, es gibt die Schattenseiten. Aber, um im Bild zu bleiben, wenn man nach vorne geht, zumindest dem Licht entgegen, hat man die Schatten hinter sich. Beispiel: Ohne digitale Vernetzung, so Müller, hätte man die Schülerinnen und Schüler in den Zeiten der Pandemie verloren. Also: Digitalität, die Verbindung zwischen Menschen über digitale Medien und Technologien richtig nutzen. Und damit, könnte man sagen, hat Silke Müller vielleicht auch den Grundauftrag der Techtide formuliert.

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