Corona hat den Mangel an Fachkräften vorübergehend in den Hintergrund treten lassen. Das ändert sich aber gerade wieder. Der niedersächsische Konjunkturklimaindikator sank um drei Punkte auf 111 leicht nach unten.

Noch vor Beginn der vierten Corona-Welle sackte der niedersächsische Konjunkturklimaindikator leicht nach unten: Er sank von 114 auf 111 Punkte. Verantwortlich dafür waren knappe Vorprodukte und Rohstoffe sowie fehlende Fachkräfte. Symptomatisch war in dieser Zeit insbesondere der Mangel an Computerchips in der Autoindustrie. Die anderen Bereiche der Industrie sahen sich aber im Aufschwung, der Bau meldete weiter volle Auftragsbücher, der Handel profitierte von nachgeholtem Konsum. Aber schon im Frühherbst hatten sich die Erwartungen an die kommenden Monate nach den Ergebnissen der IHK-Konjunkturumfrage etwas eingetrübt – bei noch moderat steigenden Coronazahlen. Andererseits planten die niedersächsischen Unternehmen zu diesem Zeitpunkt nach wie vor Investitionen und Neueinstellungen.

Mit den sich auftürmenden Neuinfektionen haben sich die Konjunkturaussichten
weiter abgeschwächt. Und bereits Ende Oktober hatte die Bundesregierung
ihre Wachtumsprognose für das gesamte Jahr 2021 von 3,5 auf 2,6 Prozent gesenkt.
In der aktuellen Lage drohe eine coronabedingte Zurückhaltung beim Konsum. Erneut eingeschränkte Veranstaltungen oder Auflagen bei Dienstleistungen gibt es bereits. Gerade Unternehmen, die bereits in den vergangenen mehr als eineinhalb Jahren besonders betroffen waren geraten durch die Pandemie-Maßnahmen erneut unter Druck. Entsprechend rief IHK-Hauptgeschäftsführerin Maike Bielfeldt auch auf Twitter dazu auf, in gemeinsamer Anstrengung die vierte Welle zu brechen.

Die IHK-Konjunkturumfrage zeigt aber auch, welche Probleme ganz abgesehen
von Corona die Unternehmen auch weiterhin begleiten. Aktuell werden in den Energie- und Rohstoffpreisen sowie im Fachkräftemangel die größten Risiken gesehen. Steigende Kosten für Gas, Diesel oder Rohstoffe treffen vor allem die Industrie sowie den Verkehrssektor, während unter dem Personalmangel besonders der Baubereich und
die Gastronomie leiden. Aber auch der Mangel an LKW-Fahrpersonal verschärft
sich weiter. Inzwischen gibt mehr als die Hälfte der Unternehmen über alle Branchen
hinweg an, offene Stellen längerfristig nicht besetzen zu können. Im Bereich der IHK Hannover sind es 57 Prozent. Dieser Anteil hat sich, vom krisenbedingten Einbruch 2020 abgesehen, über die letzten Jahre deutlich erhöht. 2012 meldete noch knapp jedes vierte Unternehmen offene Stellen. „Der Fachkräftemangel wird über kurz oder lang dazu führen, dass Bauunternehmen nicht mehr alles bauen können, was gewünscht ist, dass Transportkapazitäten knapp sind und dass das Gastgewerbe beispielsweise seine Öffnungszeiten und das Angebot einschränkt“, so IHK-Hauptgeschäftsführerin Bielfeldt. „Wir können nur appellieren, junge Menschen gut auszubilden und fortzubilden. In den kommenden Jahren werden demografisch bedingt geburtenstarke Jahrgänge in Rente gehen. Wir müssen alles daran setzen, beruflich qualifizierten Nachwuchs zu haben.“

Veränderung gab es laut IHK-Umfrage bei den gefragten Qualifikationen. Seit vielen Jahren suchen die Unternehmen im Bereich der IHK Hannover vorwiegend Personal mit einem dualen Berufsabschluss (46 %). Diese Fachkräfte fehlen quasi überall. Aber auch höherwertige Bildungsabschlüsse wie Fachwirte/Meister (44 %) und Fach-)Hochschulabsolventen (43 %) sind vielerorts gefragt. Aktuell suchen Unternehmen
auch Personal ohne Berufsabschluss (29 %). 2012 war das bei lediglich 6 Prozent der Unternehmen der Fall. Heute werden Hilfskräfte – neben den qualifizierten Kräften – vor allem im Baugewerbe, im Einzelhandel, im Verkehrsgewerbe und im Gastgewerbe gesucht. Seit mindestens zehn Jahren ist der Fachkräftemangel für Unternehmen ein
wichtiges Thema, derzeit bei 62 Prozent sogar das größte Geschäftsrisiko.

Als Reaktion auf die Probleme bei den Stellenbesetzungen wollen die Unternehmen
ihre Attraktivität für neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter steigern (59 %) und mehr Ausbildung anbieten (51 %). Die Bedeutung der Aus- und Fortbildung hat sich über die Jahre nicht wesentlich verändert und bleibt hoch. Die möglichen Handlungsalternativen zeigen, dass zum einen die Vereinbarkeit von Freizeit und Beruf wichtiger geworden
ist – also Flexibilität bei der Arbeitszeit an Bedeutung gewinnt – und zum
anderen Unternehmen generell ihre Attraktivität steigern wollen.
Immerhin knapp jeder dritte Betrieb rechnet damit, sein Angebot wegen Personalmangels
einschränken zu müssen (31 %). Jedes vierte Unternehmen sieht einen Verlust an Wettbewerbsfähigkeit (26 %), nur 8 Prozent erwarten keinerlei Folgen des Fachkräftemangels. Ein Blick in die Branchen zeigt, dass vor allem in der Bauwirtschaft, im Verkehrs- und im Gastgewerbe mit solchen personalbedingten Kapazitätsgrenzen zu rechnen.

 

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