Das ist schon etwas überraschend. Fast 60 Prozent der Menschen in Niedersachsen sagen bei der Frage, was dringend angepackt werden muss: zu viel Bürokratie. Noch vor Unterrichtsausfall, hohen Mieten, Ärztemangel auf dem Land. Und noch vor Corona. Das ist ein Alarmzeichen.

Die Meinungsforscher, die gefragt haben, kommen von Allensbach. Aus renommiertem Haus also. Beauftragt wurden sie vom Drei-Quellen-Verlag in Hannover, hinter dem die niedersächsischen Metall-Arbeitgeber stehen. Und die machten eine während der Pandemie gewachsene „neue Sensibilität“ in der Bevölkerung aus, was die Leistungsfähigkeit der Verwaltung angeht: Die sei immer noch eingeschränkt, langes Warten auf Baugenehmigungen, Autozulassung oder überhaupt Ämtertermine führten zu breiter Verärgerung. Am gleichen Tag kommentierte das Handelsblatt bissig, dass von den 575 Verwaltungsleistungen, die bis Ende 2022 digitalisiert sein sollen, aktuell 16 zur Verfügung stehen.

Digitalisierung kann helfen

Klar, die Digitalisierung kann helfen. Mag sein, dass sich dann so mancher Terminstau auflöst. Aber ist es wirklich nur das Warten auf zum Beispiel auf einen Hochzeitstermin? So oft heiratet man nicht. Und kauft auch kein neues Auto, und man baut nicht dauernd ein Haus. Geklagt wird laut Allensbach in Niedersachsen ja auch ganz allgemein über zu viel Bürokratie: Vielleicht spiegelt das Umfrageergebnis vor allem Gefühl, die Bürokratie habe schlicht zu viel Gewicht im Leben jedes Einzelnen, im Alltag jedes Unternehmens.

Dann wäre es an der Zeit, nicht nur zu versuchen, einzelne Maßnahmen schlanker zu machen oder die Bürokratielast digital erträglicher zu machen. Sondern das Gewicht der Bürokratie insgesamt zu überdenken. Was eigentlich heißt: zu vermindern. Dazu muss nicht nur, wir zitieren, ein Ruck durch die Gesellschaft gehen. Sondern auch durch die Verwaltung: Weniger Bürokratie wagen. (pm)

Ursprünglich als Wirtschaftspolitisches Streiflicht, später in einer eigenen Rubrik „Streiflichter“: Glossen begleiten die Niedersächsische Wirtschaft von Anfang an und hatten schon in Vorgänger-Publikationen ihren Platz. An dieser Stelle finden Sie jeden Freitag eine Glosse in dieser Tradition.

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