Was war 2020 für ein Jahr für Unternehmensgründerinnen und -gründer? Und wichtiger: Wie wird es in diesem Jahr laufen? Ein Interview mit Guido Langemann, Federführer Wirtschaftsförderung und Gründung der IHK Niedersachsen und Abteilungsleiter Handel und Dienstleistungen der IHK Hannover, sowie Henning Schiel, Gründungsberater bei der IHK Hannover.


Würden Sie sich aktuell selbstständig machen?

Guido Langemann: Ich habe das Gründungs-Gen in mir noch nicht entdeckt. Aber wenn ich es demnächst finden sollte, warum nicht? Auch jetzt gibt es viele Möglichkeiten, wenn man die richtige Idee hat.
Henning Schiel: Die Gründungsberatung ist vermutlich der beste Job, den die IHK zu bieten hat. Ich treffe jeden Tag auf viele spannende Menschen und interessante Vorhaben. Das macht Spaß und das kann gerne auch so bleiben.

Wie stellt sich das vergangene Jahr aus IHK-Sicht in puncto Unternehmensgründung dar?
Guido Langemann: Im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 hatten wir in vielen Bereichen eine regelrechte Schockstarre. Und die war auch bei den Gründungen zu beobachten. Aber bereits im Sommer war das Geschäft schon fast wieder normal. Dies gilt allerdings nicht für Branchen wie die Gastronomie, den Einzelhandel oder die Freizeitwirtschaft, die derzeit geschlossen bleiben müssen. Hier wird verständlicherweise erst einmal abgewartet, wie sich der Corona-Schlamassel entwickelt.
Henning Schiel: Sorgen bereitet die Unternehmensnachfolge. Diese ist regelmäßig mit hohen Kaufpreisen verbunden. Und dann stellen sich die potenziellen Nachfolgerinnen und Nachfolger natürlich die Frage, ob ein Unternehmen den geforderten Preis auch Wert ist. Da es aber auch Branchen gibt, die von Corona kaum betroffen sind oder davon sogar profitieren, haben wir derzeit auch bei der Unternehmensnachfolge wieder viele Gespräche.

Was wird in diesem Jahr für Gründerinnen und Gründer
anders sein?
Guido Langemann: Wer sich in diesem Jahr selbstständig macht, muss damit rechnen, dass alles ein wenig länger dauert als normal. Die Behörden sind coronabedingt schwerer zu erreichen und durch die vielfältigen Corona-Hilfen arbeiten die Förderinstitute und Banken schon lange am Limit. Gründer, die ja eigentlich nur eins wollen – nämlich starten –, brauchen also leider viel Geduld.
Henning Schiel: Die Gründungsberatung findet aktuell nur per Telefon oder in Videokonferenzen statt. Aber das ist mittlerweile schon eingeübt und keinerlei Problem mehr. Ansonsten müssen Gründerinnen und Gründer flexibel bleiben; vielleicht ein wenig mehr als sonst. Dabei geht es nicht nur darum, coronagerecht zu agieren. Auch die großen Themen und Trends wie Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Klimawandel haben im Grunde auf jedes Geschäftsmodell einen erheblichen Einfluss. Und den gilt es zu beachten.

Dann müssen wir uns keine Sorgen machen, dass uns die Gründerinnen und Gründer ausgehen?
Guido Langemann: Ganz im Gegenteil! Zum einen wird es Gründerinnen und Gründer geben, die in den aktuellen Veränderungen und Verwerfungen eher die Chancen als die Risiken erkennen. Zum anderen erwarten wir leider steigende Arbeitslosenzahlen. Und dann bekommen wir stets viele Anfragen von Menschen, die die Selbstständigkeit bislang gar nicht so im Sinn hatten und die mangels Alternative ein Unternehmen eröffnen wollen. Außerdem beraten wir derzeit sehr viele Menschen, die ihre Idee mal im Nebenerwerb testen möchten.

Mal abgesehen von der Corona-Krise: Was raten Sie Unternehmerinnen und Unternehmern, die mit ihrem ersten Gründungsprojekt keinen Erfolg hatten?
Henning Schiel: Scheitern ist und bleibt Mist. Aber wenn man ein erstes Vorhaben ohne größere finanzielle Verluste beenden konnte, bleiben jede Menge Erfahrungen. Nicht alle davon hätte man gebraucht – aber sie helfen natürlich dabei, einen Fehler nicht ein zweites Mal zu machen. Und dann sind die Erfolgsaussichten bei neuen Projekten natürlich gleich viel größer. Mein Rat lautet also: Weitermachen und sich beraten lassen.

Was müsste aus Ihrer Sicht von der Politik geändert werden, um Unternehmensgründungen in Deutschland leichter zu machen?
Guido Langemann: Die Rahmenbedingungen für Gründungen sind in Deutschland besser als ihr Ruf. Die Infrastruktur ist ordentlich, die Förderprogramme sind vielfältig und die Bürokratie ist zwar lästig, aber keine unüberwindliche Hürde. Änderungsbedarf sehen wir aber sehr wohl. Vor allem fordern wir, dass die Themen Unternehmertum und Wirtschaft in Schulen und Universitäten präsenter werden. Die Selbstständigkeit sollte vor allem bei unserem Nachwuchs raus aus der Exoten-Nische.

Die Fragen stellte Barbara Dörmer.

Welche Fragestellungen angehende Unternehmerinnen und Unternehmen zu ihrem Gründungsvorhaben klären sollten, zeigt die IHK vom 8. bis 12. März bei ihrer digitalen Gründungswoche.

 

 

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