Eine gute Drei bekommt Hannovers Innenstadt als Note bei der jetzt veröffentlichten Studie „Vitale Innenstädte 2020″ des Marktforschungs- und Beratungsunternehmens IFH Köln. Um die City attraktiver zu machen, startet die die Stadt im Herbst einen Innenstadtdialog.
Unter dem Strich ist es die Note 2,7, die Hannovers Innenstadt von den Besucherinnen und Besuchern 2020 bekommt. Dies hat die am 12. Februar veröffentlichte Studie „Vitale Innenstädte 2020. Hannovers Innenstadt zwischen Strukturwandel, Lockdown und Onlinehype“ ergeben, die das Marktforschungs- und Beratungsunternehmen IFH Köln im September und Oktober 2020 in 107 deutschen Innenstädten durchgeführt hat. Mit „Eine Drei plus, solide, etwas schlechter als der Ortsgrößenklassendurchschnitt“, kommentierte der Leiter der Studie, Dr. Markus Preißner, dieses Ergebnis.
Im Fokus der Attraktivitätsanalyse, die seit 2016 im Zweijahresrhythmus läuft, stehen Fragen wie: Wer besucht die Innenstadt und warum? Wie kaufen die Besucherinnen und Besucher in der Innenstadt ein, wie informieren sie sich über die City und wie bewerten sie diese? Für die aktuelle Analyse wurde außerdem gefragt, wie die Corona-Krise das Einkaufsverhalten verändert hat. Für die Studie hat das IFH bundesweit knapp 58.000 Interviews mit Innenstadtbesucherinnen und -besuchern geführt. In Hannover wurden etwas mehr als 2000 Personen befragt. Weitere Städte der Studie mit mehr als 500.000 Einwohnern sind Bremen, Dortmund, Düsseldorf, Köln, Leipzig und Stuttgart.
Die wichtigsten Ergebnisse für Hannover: Im vergangenen Jahr sind die Passanten-Ströme nicht nur über das gesamte Jahr, sondern auch zwischen den beiden Lockdown-Phasen spürbar zurückgegangen: Zwischen Mai und Oktober wurden in der Georgstraße 29 Prozent weniger Menschenbewegungen gemessen als 2019. Der Rückgang ist etwas weniger stark ausgefallen als im Durchschnitt von 20 an den „Vitalen Innenstädten 2020“ teilnehmenden Städten (- 33 %). Dabei war der Verlust in der Besuchsfrequenz im September mit durchschnittlich 9 Prozent in der Georgstraße noch vergleichsweise milde. Am letzten Freitag und Sonnabend im November („Black Friday“ und erster Advent) war der Rückgang dagegen massiv: minus 42 Prozent am Freitag und minus 54 Prozent am Sonnabend vor dem ersten Advent. Fast die Hälfte (47 %) der Befragten hat in der Studie angegeben, Hannovers Innenstadt seit Beginn der Corona-Krise seltener besucht zu haben. Weniger Geld für Waren, Gastronomie und Dienstleistungen ausgegeben haben rund 56 Prozent. Den Online-Handel stärker genutzt („Ich kaufe verstärkt bei großen Online-Marktplätzen oder -Händlern wie Amazon, Ebay Otto, Zalando ein“) haben fast 40 Prozent. In allen drei Kriterien liegt Hannover über dem Durchschnitt der Städte vergleichbarer Größe.
Aber warum kommen die Menschen überhaupt in die City, wenn sie dann kommen? Das wichtigste Motiv ist nach wie vor der Einkauf. 71,9 Prozent der Befragten haben das angegeben. Damit erzielt die Stadt einen deutlich höheren Wert als der Ortsgrößenschnitt (60,4 %). Die Gastronomie kommt an zweiter Stelle der Gründe, die hannoversche City zu besuchen (39,1 %). Das Einkaufsmotiv dominiert bei Jung und Alt: Unterschiede in Abhängigkeit vom Alter gibt es im Gegensatz zu vielen anderen Städten in Hannover kaum. Die gastronomischen Angebote locken hingegen eher jüngere als ältere Menschen in die hannoversche City. Hinsichtlich des Motivs „Gastronomie“ nennen 46 Prozent der unter 26-Jährigen dies als Grund für den Innenstadtbesuch, während es 37 Prozent der über 50-Jährigen sind.
Beim Einzelhandelsangebot schneidet Hannovers Innenstadt im Vergleich zu anderen Großstädten insgesamt etwas schlechter ab. Insbesondere in den Bereichen „Wohnen/Einrichten/Dekorieren“ und „Büro/Schreibbedarf“ bleibt Hannover zurück. Punkten konnte die Landeshauptstadt zumindest auf den ersten Blick in der Erreichbarkeit und Bequemlichkeit der City. Bei der ÖPNV-Verbindung und der Erreichbarkeit per Fahrrad bekommt Hannover durchschnittlich eine Note von 1 bis 2. Auch bei den Kriterien „Erreichbarkeit mit Pkw/Motorrad“ und „Parkmöglichkeiten“ schneidet Hannover besser ab als 2018 und als der Durchschnitt der großen Großstädte. Allerdings gibt es hier eine Unschärfe, weil coronabedingt weniger Menschen aus dem Umland nach Hannover kamen und diese somit auch nicht befragt werden konnten. In der Kategorie „Ambiente und Erlebnis“ der Innenstadt (unter anderem: Fassaden, Sehenswürdigkeiten, Sauberkeit) liegt Hannover fast durchweg im Bereich der Note „befriedigend“ und hinter den Städten vergleichbarer Größe und hinter den Ergebnissen von 2018. Hier gibt es also Handlungsbedarf.
„Insgesamt ist die Entwicklung der großen Städte stabil, in einigen Bereichen allerdings haben sie im Schnitt leicht schlechtere Werte erzielt als in den Jahren zuvor. Das hat auch damit zu tun, dass die Fahrt in die nächste Großstadt weniger wichtig wird“, erläutert, Dr. Markus Preißner, wissenschaftlicher Leiter des IFH Köln bei der Vorstellung der Befragungsergebnisse.
„Hannovers City steht insgesamt nach wie vor gut da. Gleichzeitig wird durch die Befragung der Handlungsbedarf, der sich durch die Corona-Krise noch verschärft hat, belegt“, so Oberbürgermeister Belit Onay zu den Ergebnissen. Ein großes Problem ist der Leerstand von Immobilien.“ Für die schnelle Nachvermietung seien in erster Linie die Eigentümerinnen und Eigentümer in der Pflicht. „Bei längerem Leerstand von Schlüsselimmobilien müssen Kommunen aber auch einen verbesserten Zugriff bekommen, um aktiv reagieren zu können und geeignete Nachnutzungskonzepte umzusetzen“, forderte Onay. Hannover Oberbürgermeister weiter: „Ich begrüße, dass die EU, der Bund und das Land die aktuellen Herausforderungen der Städte erkannt haben und neue Förderprogramme dafür aufstellen. Es ist wichtig, dass wir dazu einen möglichst unbürokratischen und zeitnahen Zugang erhalten.“ Onay betonte, dass die Stärkung der City ein wesentliches Ziel der Stadtverwaltung ist: „Um ein zukunftsfähiges Konzept zu entwickeln, werden wir in diesem Jahr zum angekündigten breit angelegten Innenstadtdialog einladen.“
„Die Befragung macht deutlich, dass eine grundlegende Veränderung und strukturelle Weiterentwicklung der Innenstädte erforderlich ist. Die Fokussierung auf den Einzelhandel muss einer Multifunktionalität weichen“, betont Hannovers Wirtschaftsdezernentin Sabine Tegtmeyer-Dette. „Wir werden daran arbeiten, zum Beispiel durch bauliche Maßnahmen und mehr Grün die Aufenthaltsqualität zu stärken sowie mehr Freizeit- und Kulturangebote zu ermöglichen. Zudem werden wir zusammen mit dem Handel den Erlebnischarakter des
Einkaufs erhöhen müssen. Bei der Umsetzung all dieser Maßnahmen bedarf es finanzieller Unterstützung durch Land und Bund.“
„Hannover ist attraktiv und der Handel in der Stadt ist nach wie vor der Königsmacher, also der Hauptgrund für einen Besuch in der Innenstadt“, sagt Monika Dürrer, Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbands Hannover, zu den Ergebnissen. Mit Blick
auf die Folgen der Corona-Krise warnt sie: „Wenn der Lockdown für den Handel noch lange anhält, wird es ernst.“ Einzelhändlerinnen und -händler fühlten sich gerade jetzt sehr von der großen Politik im Stich gelassen. Aber: „Stirbt der Handel, stirbt die Stadt.“