Ein Balanceakt: Viele niedersächsische Unternehmen bewegten sich im dritten Quartal in Richtung Normalität. Der IHK-Konjunkturklimaindikator stieg erneut deutlich und bildet ein V. Aber ganze Branchen stehen nach wie vor im Feuer. Und klar ist auch: Je einschneidender Maßnahmen gegen Corona getroffen werden müssen, umso mehr sind die Erfolge des Spätsommers in Gefahr.
[/vc_column_text][vc_column_text]Corona überschattet alles. Zwar hat sich die Geschäftslage der niedersächsischen Unternehmen insgesamt im dritten Quartal verbessert, erkennbar am Anstieg des Konjunkturklimaindikators um 13 Punkte auf jetzt 89. Die Wirtschaft scheint sich damit sogar schneller zu erholen als nach der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008. Allerdings stiegen erst nach Ende der Befragung von rund 2000 Unternehmen in Niedersachsen die Infektionszahlen auf die aktuell drastischen Werte und schürten so die Ängste vor Konsequenzen. Maike Bielfeldt, die zum ersten Mal als Hauptgeschäftsführerin der IHK Niedersachsen die Ergebnisse der Quartalsumfrage vorstellte, mahnte dringend, einen zweiten generellen Lockdown zu verhindern. Statt die Wirtschaft insgesamt herunterzufahren, setzt sie auf differenzierte, passgenaue Maßnahmen. Außerdem rief die IHK-Chefin dazu auf, alle Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus zu befolgen.
„Uns fehlen die Optimisten“, sagte Maike Bielfeldt mit Blick auf die Erwartungen der Unternehmen. So rechnet jedes dritte Unternehmen mit einer Verschlechterung der Lage in den kommenden Monaten, und das bereits vor dem Anstieg der Infektionszahlen im Oktober. Die Hälfte erwartet gleichbleibende Geschäfte, und auf eine positive Entwicklung setzen 16 Prozent.
Die wirtschaftliche Lage in der niedersächsischen Wirtschaft ist in verschiedener Hinsicht gespalten. Maike Bielfeldt nannte es paradox, dass nach den Ergebnissen der IHK-Umfrage im Herbst sich knapp drei Viertel der Unternehmen mit ihrer Geschäftslage zufrieden zeigen, aber gleichzeitig viele in ihrer Existenz gefährdet sind. Der Bruch geht quer durch die Branchen. Während Tourismus und Gastronomie, die Messen, der gesamte Bereich der Veranstaltungs- und Kulturwirtschaft, aber auch teilweise exportorientierte Industrieunternehmen oder der Großhandel unter der Pandemie leiden, haben viele andere Branchen im Spätsommer eine Belebung der Nachfrage aus dem In- und Ausland gespürt.
Das gilt zum Beispiel für die Industrie insgesamt, die ein Aufholquartal hinter sich hat. In den Oktober gingen die Unternehmen mit weitgehend normalisierten Geschäften. Den Umfrageergebnissen zufolge sind die Auftragseingänge fast wieder beim alten Niveau angekommen. Auch der Einzelhandel insgesamt zeigt sich nach dem Tief im Frühjahr deutlich erholt und profitierte bis Anfang Oktober davon, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher zuversichtlicher wurden und sich die Konsumneigung erholte. Aber auch hier läuft der Riss quer durch die Bereiche: Während der Onlinehandel seit dem Frühjahr boomt und krisentypisch Lebensmittel und Möbel gefragt sind, bleibt die Geschäftsentwicklung bei Innenstadtsortimenten wie Bekleidung, Schuhen und Lederwaren katastrophal, so die Ergebnisse der IHK-Konjunkturumfrage. Hinzu kommt der Strukturwandel, der besonders an der Schließung von Kaufhäusern deutlich wird.
Klar ist: Der weitere Verlauf der Pandemie und die zu ihrer Bekämpfung notwendigen Maßnahmen sind nicht abschätzbar. Prognosen für das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr wären deshalb nur in Szenarien möglich und mit entsprechenden Unsicherheiten verbunden. Über alle Branchen rechnet – Stand Anfang Oktober – fast jedes zehnte Unternehmen in diesem Jahr mit einem Umsatzrückgang von mehr als 25 Prozent. Weitere 22 Prozent erwarten einen Rückgang der Erlöse zwischen 10 und 25 Prozent.
Größtes Risiko für die Konjunktur ist aus Sicht der Unternehmen aktuell die Inlandsnachfrage: Mit 63 Prozent der Nennungen hat sich die Sorge darum im Vergleich zum Vorjahr auf Platz 1 katapultiert, gefolgt von den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen (56 %). Diese Probleme haben den Fachkräftemangel als Top-Risiko von den Spitzenplätzen verdrängt.
Größtes Risiko für die Konjunktur ist aus Sicht der Unternehmen aktuell die Inlandsnachfrage: Mit 63 Prozent der Nennungen hat sich die Sorge darum im Vergleich zum Vorjahr auf Platz 1 katapultiert, gefolgt von den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen (56 %). Diese Probleme haben den Fachkräftemangel als Top-Risiko von den Spitzenplätzen verdrängt.
Die Hauptgeschäftsführerin forderte weitere Unterstützung für die Wirtschaft: „Viele Unternehmen brauchen noch Maßnahmen für die Liquiditätssicherung. Jedes an sich gesunden Unternehmen, das wir jetzt stützen, hilft uns im Aufschwung.“
Aber dass die Krise vorerst noch andauert, zeigt sich auch in der IHK-Konjunkturumfrage. Zwar arbeitete zwischen Juli und September jedes vierte Unternehmen nach eigenen Angaben wieder normal. Ein Drittel der Unternehmen sieht eine Rückkehr zur Normalität erst im Laufe des kommenden Jahres, und 16 Prozent erwarten das erst ab 2022. Und ganze 18 Prozent können heute noch überhaupt nicht abschätzen, wann sich ihre Geschäfte wieder normalisieren.
Die Ergebnisse im Einzelnen finden Sie auf der IHKN-Website.
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