Heute hat die Landeshauptstadt Hannover die Inhalte ihrer Bewerbung zur Kulturhauptstadt Europas 2025 vorgestellt. Aus dem Gebiet der IHK Hannover ist Hildesheim, das seine Bewerbung am 21. September präsentiert, ein weiterer Kandidat aus Deutschland.

„Als starke Stadt wollen wir die gemeinsamen Werte Europas stärken“, kündigt Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay bei der Vorstellung der Bewerbung zur Kulturhauptstadt Europas 2025 an. Als Plattform dafür soll in Hannover 2025 die „Agora of Europe“ entstehen: ein künstlerischer Verhandlungsraum für die großen europäischen Themen, wo Menschen mobilisiert werden, eine Haltung zu entwickeln und aktiv zu werden. Hannovers Programm basiert auf drei Säulen: der mobilen Agora auf dem Cityring, zwölf Spotlights und einer digitalen Agora.

Der Cityring soll zur Bühne für die Mobile Agora, dem wandernden Festivalzentrum werden, das die ganze Stadt in eine Bühne verwandelt. Die aus zwölf Modulen bestehende mobile Agora wandert darauf wie ein langarmiges Kultur-Lebewesen durch die Stadt. Wo sie andockt, aktiviert sie Gebäude und macht sie zum Festivalzentrum mit Programm. Durch ihre Anwesenheit wird der Cityring transformiert: Sie blockiert, verändert den Verkehr – und schafft so die Möglichkeit, experimentelle Verkehrskonzepte auszuprobieren.

Während das Kulturprogramm in der Stadt läuft, wirft die mobile Agora ein Spotlight in die Welt, die das Thema des Monats vorgibt. Darin geht der Blick über die Ränder der Stadt, in die Stadtteile, die Region, in die europäischen Länder bis zu den EU-Außengrenzen und weiter. In den Spotlights stellen alle künstlerischen Projekte Bezüge zu Orten, Menschen und Themen in dem jeweils „ausgeleuchteten Spotlight“ her. Dockt die Mobile Agora etwa am Neuen Rathaus an, geht der Blick nach Süden, nach Döhren-Wülfel, Laatzen, über Göttingen bis an Italiens Westküste, dem Mittelmeer und nach Malta. Damit könnte das vorherrschende Thema in dem Monat das sinnlose Sterben von Menschen im Mittelmeer sein.

Jenseits dieser Spotlights gibt es digitale Agoren ohne festen Ort. Diese digitalen Projekte werfen neue Perspektiven auf das grundsätzliche Verhältnis von Gesellschaft und Technik. Themen sind etwa die Zukunft der Arbeit, die Autonomisierung des Straßenverkehrs, der Einfluss von digitalen Plattformen auf die Diskurskultur und auf demokratische Wahlen.

Von den 500 und mehr Projekten, die es in Hannover 2025 geben soll, sind im 2. Bid Book 48 Projekte mit mehr als 210 lokalen, nationalen und internationalen Kunstschaffenden sowie Partnern und Partnerinnen zu den Themen Demokratie, Menschenrechte, Nachhaltigkeit und Digitalisierung beispielhaft beschrieben. Für die Projekte zeichnet Hannovers Künstlerisches Team verantwortlich: Aljoscha Begrich – Maxim Gorki Theater, Benjamin Förster-Baldenius – raumlaborberlin, Robin Höning – endboss, Çagla Ilk – Kunsthalle Baden-Baden, Lotte Lindner & Till Steinbrenner – Künstlerpaar, Jean Peters – Peng! Kollektiv, Thomas Posth – Orchester im Treppenhaus.

Oberbürgermeister Belit Onay, Melanie Botzki, Teamleitung Kulturhauptstadtbewerbung, Sebastian Peetz, Künstler und Designer des 2. Bid Books, Juan S. Guse, Autor des 2. Bid Books, Inga Samii, Teamleitung Kulturhauptstadtbewerbung (v.l.). Foto: Landeshauptstadt Hannover/Helge Krückeberg

Einige Beispiele für Projekte:

Raschplatzbrücke: Auf der begrünten und gesperrten Raschplatz-Hochstraße entsteht in einem Landschloss aus alten VW-Bussen das offizielle Informationsbüro. Hier spielt zur Eröffnung Hannovers Kulturhauptstadtbotschafter und Pianist Igor Levit auf. Auf einem leerstehenden Parkhausdeck in der Nähe entsteht das Hotel Europa mit unterschiedlich gestalteten Zimmern: Buden, Hütten, Lauben, Kisten, Zirkuszelte oder bewohnbare Raummodule.

Ihme-Zentrum: In dem 1971 als „Stadt in der Stadt“ fertiggestellten Hochhauskomplex soll in den brachliegenden Flächen das „Internationale Zentrum für Künstlerische Forschung“ (IZKF) entstehen. Unterschiedlichste Kulturaktive von der Freien Szene bis zu traditionsreichen Institutionen arbeiten dort auf Augenhöhe zusammen und entwickeln zusammen neue künstlerische Formate.

Pferde: Die Hannoveraner (Pferde) erobern sich ihre Stadt zurück. Es werden mit Kunst Zentren der Macht enttarnt, mit Müll schwimmende Kulturzonen gebaut, im Deutschen Pavillon die japanische Edo-Periode (1600 bis 1867) wiederbelebt und in der Trollfabrik for Good Methoden und Kommunikationsstrategien gegen Fake News und Verschwörungstheoretiker*innen entwickelt.

Und weiter: Mit der Fahrt in S-Bahnen auf den Ringen der Region werden Perspektiven gewechselt, an Blind Spots mit internationalen Künstlerinnen und Künstlern hörbar dem Erinnern gedacht, der Schwarm bringt zwölf mobile Ateliers europäischer Künstler von Kommune zu Kommune, mit Hildesheim plant Hannover eine Tragschrauber-Reise quer durch Europa und es startet eine Fahrradbewegung, die bis zu Hannovers Partnerstadt Blantyre reicht.

Statt eines Bewerbungsbuchs hat Hannover das Manifest „Normalität ist keine Option“ veröffentlicht und ist im Wettbewerb Kulturhauptstadt Europas disqualifiziert worden! Fake News? Nein, Fiktion und künstlerischer Rahmen des zweiten Bewerbungsbuchs. Manifest und Inszenierung stehen beispielhaft für die künstlerische Methode, mit der Hannover auf die großen Themen aufmerksam machen will: „Mit Kunst und Paukenschlägen!“, wie das Leitungsduo der hannoverschen Bewerbung, Melanie Botzki und Inga Samii, betont.

Die Landeshauptstadt Hannover leitet ein Umdenken im Wettbewerb ein und fordert in Corona-Zeiten die Nachhaltigkeit des Bewerbungsprozesses zur Kulturhauptstadt Europas 2025 für alle Bewerberstädte. Die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema Pandemien und deren Auswirkungen auf den Kulturbereich kulminiert in der fiktiven Überspitzung im Bewerbungsbuch: Die Stadt veröffentlicht statt eines Bewerbungsbuchs das Manifest „Normalität ist keine Option“.

„Buch aus der Zukunft“: In der Science-Fiction Geschichte von Juan S. Guse findet eine Wissenschaftlerin in einer Cloud Hannovers fast fertiges, nie abgegebenes Bid Book. Ihre Studie ist der Blick aus dem Jahr 2059 zurück auf das Jahr 2020 und untersucht Hannovers Bewerbungsansatz als „Agora of Europe“. Für die theatrale Inszenierung des Bewerbungsbuchs zeichnet als künstlerische Produktionsleiterin Lena Kußmann, Regisseurin, Schauspielerin und künstlerische Leitung des Theaters an der Glocksee, verantwortlich. Entworfen hat das 2. Bid Book – eine in einer Zeitkapsel verschlossene Buchrolle – Sebastian Peetz. Die Rolle besteht aus 100 DIN A4-Seiten, die auf einer 21 Meter langen, gewebten Stoffbahn aneinanderhängen. Der Text enthält die Antworten auf die 45 Jury-Fragen, kommentiert aus der Zukunft und verziert mit Illustrationen, die sich um den Text schlängeln. Dafür hat der deutsch-französische Zeichner Lukas Hamilcaro Fotos von Hannover genommen und sie mit Zeichnungen um das im Projekt Geplante ergänzt und erweitert.

„Wir überzeugen die Jury: Mit einem Buch aus der Zukunft für die Zukunft Europas“, so Oberbürgermeister Belit Onay zur Bewerbung.

Die nächsten Termine um die Bewerbung zur „Kulturhauptstadt Europas 2025“ finden digital statt: 19. Oktober: Jury-Besuch; 26. Oktober: Jury-Präsentation; 28. Oktober: Entscheidung Kulturhauptstadt Europas 2025.

 

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