Mit mehr Geld möchte die Bundesregierung der Elektromobilität zum Durchbruch verhelfen. Zuletzt stiegen die Zulassungszahlen deutlich – aber reicht die Zahl der Ladesäulen und kann das Netz das Wachstum stemmen? Hier besteht weiter großer Handlungsbedarf.

Komfortables, leicht zugängliches und ebenso leicht abzurechnendes Laden ist ein entscheidender Faktor für eine schnelle Etablierung der Elektromobilität. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hat im Sommer dieses Jahres davon gesprochen, dass Laden immer für alle und überall möglich sein soll und jetzt die Lösung des „Henne-Ei-Problems“ angegangen wird. Deshalb sollen bis zum Jahr 2030 in Deutschland 300 000 öffentliche Ladepunkte verfügbar sein. Aktuell gibt es in Deutschland knapp 21 000 öffentlich zugängliche Ladepunkte, davon 1700 in Niedersachsen. Für eine Einschätzung der Flächendeckung ist eine Betrachtung der Standorte notwendig, da meist mehrere Ladepunkte an einem Standort liegen. So gibt es derzeit deutschlandweit fast 8800 Ladestandorte. Davon sind über 1 000 mit Schnellladeinfrastruktur ausgerüstet. Blickt man auf eine Karte der Bundesnetzagentur, so ist das Netz inzwischen schon relativ dicht, Lücken gibt es eher noch im ländlichen Raum. In den letzten zwei Jahren hat sich die Lage deutlich verbessert. Mitte 2017 gab es erst 3355 Ladepunkte an 1600 Standorten. Zum Vergleich. Zur Zeit gibt es gut 14 000 Tankstellen in Deutschland, wobei die Zahl der Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor rund 250-mal so hoch ist wie die der Elektrofahrzeuge einschließlich der Plug-in-Hybridfahrzeuge. Es ist sicher richtig, dass man beide Infrastrukturen nicht direkt vergleichen kann. Allerdings nimmt aufgrund des erfolgten Ausbaus bereits heute eine fehlende Ladeinfrastruktur als stichhaltiges Argument an Bedeutung ab. Dies wird auch an einer aktuellen Befragung der IHK Schwaben deutlich. 60 Prozent der befragten Unternehmen sehen fehlende Ladeinfrastruktur als Hindernis für den breiteren Einsatz von E-Fahrzeugen. Differenziert man weiter, zeigt sich, dass 71 Prozent der Unternehmen die keine, aber nur 44 Prozent der Unternehmen, die schon E-Fahrzeuge einsetzten, dies als Problem ansehen.

In der City fehlen Ladepunkte
Ungeachtet dessen ist ein massiver und schneller Ausbau der Ladeinfrastruktur für die vorgesehenen Ziele beim Anteil der Elektromobilität unabdingbar. Man denke nur einmal an dicht besiedelte Großstädte, wo die wenigen Säulen innerhalb eines Stadtviertels noch lange nicht ausreichen. Allerdings passiert auch viel. So hat in Hannover die enercity AG im Dezember 2018 die Konzession zur Errichtung öffentlicher E-Ladeinfrastruktur im Rahmen einer europaweiten Ausschreibung gewonnen. Bis zum 31. Dezember 2020 müssen 480 öffentlich zugängliche Ladepunkte in 240 Stationen im Stadtgebiet errichtet sein. Bundesweit soll, so Ergebnis des Autogipfels, die Zahl der öffentlichen Ladestationen in den kommenden zwei Jahren auf 50 000 steigen.

Netze nicht leistungsfähig genug?
Neben der öffentlichen ist auch die private Ladeinfrastruktur zu betrachten. Auch wenn es keine genauen Zahlen hierzu gibt, ist deren Bedeutung enorm. Es wird davon ausgegangen, dass rund 80 Prozent der Ladevorgänge privat stattfindet. Dies sind zurzeit insbesondere Ladevorgänge „in der Garage“, was besonders in den dafür prädestinierten Gebieten außerhalb der Stadtzentren möglich ist und die geringere Flächendeckung der Ladeinfrastruktur im ländlichen Raum relativiert. Darüber hinaus sind Unternehmen, die E-Fahrzeuge nutzen, in der Regel auf eine eigene Ladeinfrastruktur angewiesen.
Gerade beim Aufbau dieser privaten Ladeinfrastruktur wird aber immer wieder von erheblichen Hemmnissen berichtet. So wird manche Überlegung zum Aufbau von Ladesäulen durch die fehlende Leistungsfähigkeit der vorhandenen Netze verhindert.
Laut den Netzbetreibern könnten derzeit von den vorhandenen Stromnetzen 13 Millionen Elektrofahrzeuge, also 30 Prozent des deutschen Pkw-Bestandes, geladen werden. 10 Millionen E-Fahrzeuge würden den Stromverbrauch um nur 4 Prozent steigern, was unproblematisch erscheint. Allerdings ist dies eine großräumige und damit eher theoretische Betrachtung.
Gerade Unternehmen mit höheren Anforderungen an die Ladeleistung berichten, dass mit der vorhandenen Infrastruktur „die Kabel glühen würden“. Ohne eine sehr kostenintensive Netzertüchtigung kann die Ladeinfrastruktur nicht aufgebaut werden. Hier wird – und das bestätigen auch Netzbetreiber – eine Lösung manchmal absehbar nicht oder nur durch die Verlagerung des Standortes möglich sein, wenn keine erheblichen Netzinvestitionen getätigt werden. Aber auch über die rein technischen Probleme hinaus beschreiben Unternehmen den Weg zur eigenen Ladeinfrastruktur oft als „durchaus steinig“. Eine Auswahl der Probleme, die der IHK geschildert wurden:

■ Schwierig, den richtigen Ansprechpartner zu finden/Ansprechpartner aus verschiedenen Abteilungen des selben Unternehmens treffen unterschiedliche Aussagen.

■ Es wird berichtet, dass bei Vorhaben zunächst auf fehlende Kapazitäten verwiesen wird, sie aber bei entsprechendem Beharrungsvermögen später doch durchführbar sind. Auch der umgekehrte Fall tritt auf.

■ Häufig sind die Kosten vorab schwer kalkulierbar.

■ Die Fördermöglichkeiten sind komplex und die Beantragung zeitaufwendig.

■ Es sei ein langer Atem und manchmal auch ein gewisser Idealismus nötig.

Auch wenn hier sicher einige Verbesserungen im Ablauf erforderlich sind, zeigt die Realität aber ebenso, dass unabhängig von der Ersteinschätzung oft Lösungen zu finden sind. Hier spielt gerade eine intensive Beratung auch hinsichtlich des tatsächlichen Bedarfes eine wichtige Rolle. Das Grundproblem liegt darin, dass die Kapazität des Netzes beschränkt ist und ein Ausbau auf Kosten des Netzbetreibers überhaupt nur dann denkbar ist, wenn durch den Neukunden, dieser Ausbau auch weitgehend ausgelastet werden würde. Dies ist in der Regel aber nicht der Fall. Vor diesem Hintergrund sind vor allem zwei Strategien erfolgversprechend:

Entscheidend sind der tatsächliche Bedarf und vor allem die Spitzenlast. Beides liegt zum Teil weit unterhalb der Ersteinschätzung. So muss beispielsweise eine Fahrzeugflotte, die abends gleichzeitig an die Ladesäule gestellt wird, nicht gleichzeitig geladen werden. Durch ein dynamisches Lastmanagement kann eine Verteilung entsprechend der Prioritäten und der Anforderungen erfolgen.
Die zweite Strategie ist deutlich schlichter: Wer als erstes die Ladeinfrastruktur aufbaut, hat die größten Chancen, dass die erforderliche Netzkapazität noch vorhanden ist: „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.“

 

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