Die Eindrücke von der niedersächsischen Delegationsreise mit Wirtschaftsminister Dr. Bernd Althusmann nach Ruanda, Uganda und Kenia sind noch frisch: Afrika ist nicht Asien, aber in vielen Ländern des Kontinents sind Fortschritte zu verzeichnen. Ein Essay als Bestandsaufnahme.
Das Wichtige erstmal vorweg: Afrika ist nicht Asien und daher gibt es hier auch keinen afrikanischen Tiger und auch kein lautes, bebendes Brüllen.ist nach außen leiser, zurückhaltend und an vielen Stellen nicht so weit entwickelt wie der globale Norden. Aber überhaupt nicht uninteressant. Vieles läuft gut: Die Demokratisierung schreitet voran, es gibt Rechtssicherheit, zunehmende Mechanisierung und Industrialisierung, interessante Ansiedlungsvorteile und eine wachsende Zahl von Doppelbesteuerungs- und Investitionsschutzabkommen, eine kontinentale Freihandelszone die im kommenden Jahr funktionsfähig sein soll und natürlich das größte Kapital das der Kontinent beinhaltet: seine Menschen. Kreativ und einfallsreich, offen, wissbegierig und unternehmerisch.
Und ja, es gibt auch Rückschläge: Despoten, Korruption, Armut – und auch das Klima spielt in den letzten Jahren verrückter als sonst. Und ja, die Chinesen haben Bereiche besetzt, in denen wir zu lange geredet und gar nicht gehandelt haben. Das hätte jeder andere auch so gemacht. Und ja, es gibt Geschäftskulturen, die risikoaffiner sind und daher schon lange auf dem afrikanischen Markt gute Geschäfte machen: Amerikaner, Inder, Libanesen, Italiener, Franzosen. Aber die Deutschen sind beliebt, sehr beliebt, und jeder, der es sich leisten kann, versucht, mit uns Geschäfte zu machen. Made in Germany ist (noch) das ausschlaggebende Argument, aber nicht nur: Man schätzt abgesehen von der Qualität auch die Langfristigkeit, mit der Geschäftsbeziehungen gesehen werden, das Vertrauen und die Verlässlichkeit, den gegenseitigen Respekt und das Interesse, das der afrikanischen Kultur entgegengebracht wird. Und die Bereitschaft aus- und fortzubilden, Wissen zu vermitteln und zu teilen. Und darin sind wir nach wie vor stark.
Doch insgesamt geht der wirtschaftliche Aufbau Afrikas zu langsam voran. Sehr hohe Wachstumsraten werden von noch höherem Bevölkerungswachstum aufgefressen. Nichts wird mehr benötigt als ausländische Investitionen, die der kreativen, jungen Bevölkerung einen Nährboden zum Gedeihen geben und den Sog aus Misswirtschaft und schlechter Regierungsführung umdrehen. Dass das funktionieren kann, konnten 22 niedersächsische Unternehmensvertreter aus unterschiedlichen Branchen auf der Delegationsreise mit Niedersachsens Wirtschaftsminister Dr. Bernd Althusmann in die Länder Ruanda, Uganda und Kenia Anfang November beobachten.
Faszinierend, beeindruckend, stark… das waren die Worte die oft gefallen sind, insbesondere auch darüber wie anpackend und smart Unternehmerinnen und Unternehmern allen Widrigkeiten zum Trotz erfolgreich Geschäfte machen. Da war die Bierbrauerei in Ruanda die sich sozial engagiert, selbst ausbildet und ökologisch nachhaltig baut. Dadurch haben sie kein Problem, Mitarbeiter zu finden und zu binden. Oder das Getränkeunternehmen in Uganda, das vollständig in einheimischer Hand liegt und unter anderem für Pepsico produziert. Besser als jedes aus dem Ausland agierende Unternehmen kennt es die Marktgegebenheiten und Vorlieben seiner lokalen Kunden, die groß angelegten Marketingaktionen sind afrikanisch… und legendär. Oder die Unternehmensgruppe Line Plast in Kenia von Marie Ngechu, die diverse Preise als Unternehmerin des Jahres vorweisen kann. In drei erfolgreichen Unternehmen beschäftigt sie über 40 Prozent Frauen in der Produktion, für niedersächsische Verhältnisse eine zukunftsweisende Zahl!
Es geht was in Ostafrika, viel sogar, und die Konsumenten sind sehr viel offener für technischen Fortschritt und Digitalisierung als in vielen europäischen Ländern. Das müssen sie auch sein, denn oft ist der Staat schwach. Aber mit Internet, Smartphone und diversen Apps lässt sich genau diese Lücke schließen und das Schicksal in die eigenen Hände legen. Und davon machen hier eben viele Gebrauch. Beweis dafür: die schiere Anzahl an Start-Up-, Co-Working- und Digitalisierungs-Hubs – zum Teil durch Deutschland finanziert -, die insbesondere in Nairobi und Kigali aus dem Boden sprießen; für Venture Capitalists ist die Region momentan die Heißeste überhaupt. Aber wie mitmachen, teilhaben und dazugehören? Einfacher als heute war es noch nie, das sagen versierte Afrikaunternehmer einhellig: Wir haben Verbände und Kammern, die informieren, EZScouts, die beraten, GIZ, BMZ, DEG und KfW, die finanzieren, und wir haben mehr Möglichkeiten als je zuvor, verlässliche Geschäftspartner vor Ort zu finden: über das Internet, Besuche, mit Hilfe der AHK und anderen Institutionen, die sich hierauf spezialisiert haben. Aber ohne Zeit und ein Anfangsinvestment, ohne ein wirkliches Bekenntnis zum Markt wird es nicht funktionieren. Wer nur schnelle Gewinne möchte, rein und wieder raus aus dem Markt, gar mit Produkten oder Dienstleistungen, die in Deutschland nicht funktioniert haben, wird scheitern. Produkte können und müssen an die Marktgegebenheiten angepasst werden, Reparatur und Wartung können zum Beispiel nicht so unkompliziert durchgeführt werden wie in Europa. Aber das bedeutet nicht, dass Schrott gewünscht ist, sondern robuste Produkte von hoher Qualität, die man auch mal selbst reparieren kann.
Aber Wirtschaft in Afrika ist viel mehr als nur Lebensgrundlage. Wirtschaft heilt, versöhnt und bringt zusammen. Das ist in einer Region, die Konflikte und Hunger kennt, überlebenswichtig. Das ist in Ruanda deutlich zu spüren. Die Erinnerung an den Völkermord 1994, als hier in 100 Tagen rund eine Million Menschen sterben mussten – ohne, dass eine westliche Nation intervenierte. Die Gräueltaten sind so unbeschreiblich und traumatisierend, dass eine Aufarbeitung und vor allen Dingen die Versöhnung der Gesellschaft viele Generationen dauern wird, zu lange um auch der Generation im Hier und Jetzt ein gutes Leben zu ermöglichen.