Unsicherheit lastet in Niedersachen weiterhin über den Verkaufsöffnungen an Sonntagen. Über das neue Ladenschlussgesetz wurde im Vorfeld intensiv diskutiert. Aus Sicht der IHK Niedersachsen werden durch den bislang bekannten Entwurf keineswegs alle Unklarheiten beseitigt.
[/vc_column_text][vc_column_text]Update: Die IHKN zur Verabschiedung des NLöffVZG durch den Landtag Mitte Mai.Als das Verwaltungsgericht Hannover im Jahr 2015 zwei verkaufsoffene Sonntage in der Landeshauptstadt für ungültig erklärte, ahnte wohl noch niemand, dass damit eine Lawine ins Rollen gerät, die drei Jahre später immer noch in Bewegung ist. Inzwischen sind in Niedersachsen in den letzten drei Jahren rund 30 verkaufsoffene Sonntage offiziell unter dieser Lawine begraben worden – wobei die Dunkelziffer sicherlich noch deutlich höher ist. Denn viele Kommunen und Standortgemeinschaften trauen sich aus Angst vor einer rechtlichen Auseinandersetzung gar nicht erst, in die Planung eines verkaufsoffenen Sonntags zu gehen.
Dass es so nicht weitergehen kann, ist allen Beteiligten klar. Denn welches Zeichen wird gesetzt, wenn das Land in seinem jüngsten Landesraumordnungsprogram zwar die Attraktivität und die Belebung der niedersächsischen Innenstädte vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der Digitalisierung einfordert, auf der anderen Seite aber selbst eine der klassischen Marketingmaßnahmen für Handel und Kommunen nicht mehr planungssicher anwendbar ist? So setzten Anfang dieses Jahres zwei Kommunen ein besonders deutliches Signal: Die Stadt Osnabrück hat all ihre für 2019 geplanten Sonntage und das Grundzentrum Ritterhude im Landkreis Osterholz drei von vier geplanten Sonntagen auf Eis gelegt. Die Begründung: Zu hohes Risiko mangels Rechtssicherheit.
Derweil war und ist sich die Landespolitik über die Ausgestaltung eines neuen Ladenschlussgesetzes uneinig – auf der einen Seite soll es dem verfassungsrechtlich verankerten Sonntagsschutz dienen, auf der anderen Seite die Interessen von Wirtschaft und Kommunen berücksichtigen. Inzwischen lässt sich aber auch nicht verkennen, dass die Leidtragenden dieser Diskussion vor allem die inhabergeführten Unternehmen und ehrenamtlich engagierten Standortgemeinschaften sind, die mit viel Herzblut und finanziellem Investment in die Organisation von verkaufsoffenen Sonntagen gehen und letztlich auf den Kosten sitzen bleiben – wie zum Beispiel im vergangenen Herbst in Osnabrück, als ein verkaufsoffener Sonntag vom Oberverwaltungsgericht Lüneburg gekippt wurde. Wohlbemerkt zwei Tage zuvor, am Freitagabend.
Im November 2018 ist von der Landesregierung der Entwurf eines neuen Ladenöffnungsgesetzes vorgelegt worden. In der Wirtschaft schlagen dafür zwei Herzen, wie Vertreter der IHK Niedersachen (IHKN), in der sich die sieben niedersächsischen Industrie- und Handelskammern zusammengeschlossen haben, im Rahmen einer Anhörung am 14. Februar im Sozialausschuss erläuterten: Auf der einen Seite begrüßt die IHKN, dass der klassische „Anlassbezug“ flexibilisiert werden soll. Konkret heißt das, dass der Katalog, zu welchem Anlass eine Sonntagsöffnung stattfinden darf, um weitere Sachgründe erweitert wird. Dazu zählt insbesondere die Stärkung der Innenstädte: Auf der Basis des neuen Gesetzes in der jetzt bekannten Fassung wären dann mit dieser Begründung Sonntagsöffnungen möglich.[/vc_column_text][vc_single_image image=“6854″ img_size=“medium“ add_caption=“yes“ alignment=“center“ onclick=“img_link_large“ img_link_target=“_blank“][vc_column_text]Auf der anderen Seite betrachtet die Wirtschaft noch zahlreiche Punkte mit Sorge und Unverständnis. So zum Beispiel die vielfach diskutierte 4+2-Regelung, also „vier Öffnungen für das gesamte Gemeindegebiet und zusätzlich zwei Öffnungen pro Gemeinde für unterschiedliche Ortsbereiche“ (Auszug aus der Begründung zum Gesetzentwurf). Denn: Niedersachsen ist ein Flächenland mit diversifizierten kommunalen Strukturen, die es so vielfältig in kaum einem anderen Bundesland gibt. Vom kleinsten Flecken über Einheitsgemeinde, Samtgemeinde und „Fusionsgemeinde“ bis hin zur Großstadt. Natürlich ist es ein komplexes Unterfangen, für alle diese Strukturen eine einheitliche Lösung zu finden. Aber klar ist auch, dass die derzeit angestrebte Regelung dafür zu kurz greift. Für die zwei Extra-Sonntage bleibt zudem eine Art Windhundrennen zu befürchten, nach dem Motto „wer zuerst beantragt, erhält den Zuschlag“. Im Sinne einer praktikablen und für alle fairen Handhabung setzt sich die IHKN daher dafür ein, „vier Sonntage pro Ortsbereich/Stadtteil/zentralem Versorgungsbereich“ zu ermöglichen. Die Festlegung einer Obergrenze für die Gesamtzahl der Sonntagsöffnungen je politischer Gemeinde könnte dabei eine inflationäre Verwendung verhindern und gleichzeitig sowohl Innenstädten als auch gewerblichen Standorten in Randlagen zugutekommen.
In die Liste der großen Fragezeichen zum neuen Gesetzentwurf reiht sich aus Sicht der Wirtschaft auch die Regelung der Öffnungsverbote ein. So erschließt sich keine systematisch nachvollziehbare Erklärung, warum eine Sonntagsöffnung an einem 27. Dezember verboten sein sollte. Diese Neuregelung ist übrigens dem eingangs aufgeführten Verwaltungsgerichtsurteil aus Hannover geschuldet. Verwaltungsgerichtliche Regelungen sollten aber zum einen kein Maßstab für ein Landesgesetz sein. Zum anderen tritt diese Konstellation – der 27. Dezember fällt auf einen Sonntag – in den nächsten 24 Jahren lediglich vier Mal ein und ist damit bürokratisch völlig überreguliert. Auch das Verbot an allen Adventssonntagen bleibt zu hinterfragen. Mit Blick auf die Deutschlandkarte hat Niedersachsen in diesem Punkt einen deutlichen Wettbewerbsnachteil. So sind insgesamt in zehn Bundesländern einer bis vier Adventssonntage zugelassen. Und: Nach altem Bundesladenschlussgesetz (gültig bis 2006) war zumindest der erste Adventssonntag in Niedersachsen freigegeben, wenn er auf einen Novembertag fiel.
Der Gesetzentwurf, der demnächst im Landtag beschlossen werden soll, wird von den Industrie- und Handelskammern wachsam verfolgt. Denn das entscheidende Kriterium für den Erfolg wird seine Praxistauglichkeit sein. Die Hürden für Sonntagsarbeit sind hoch und sollen es auch sein. Aber man bekommt das Gefühl, dass sie speziell für den Handel immer höher werden.
Auch Niedersachsens Unternehmer und Kommunen wissen, dass ein verkaufsoffener Sonntag sich nur seine Wirkung bewahrt, wenn er etwas Besonderes bleibt. Aber vor dem Hintergrund unser sich dynamisch wandelnden Innenstädte und Ortskerne, sollten aus Sicht der Wirtschaft vier Sonntage im Jahr pro Ortsteil ohne überbordende Bürokratie und ohne Angst vor rechtlichen Konsequenzen möglich sein, weil sie einen wichtigen Beitrag zum Marketing des stationären Einzelhandels und unserer Kommunen leisten – in der Großstadt, wie im ländlichen Raum.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row]