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Die Vorstellung vom ehrbaren Kaufmann wurzelt in der Geschichte. Wie sich das Konzept in die heutige Zeit übersetzen lässt, wollen die Industrie- und Handelskammern gemeinsam mit dem niedersächsischen Wirtschaftsministerium zeigen. Unterstützt werden sie von Professor Nick Lin-Hi, Wirtschaftsethiker aus Vechta.

[/vc_column_text][vc_column_text]„Nachhaltig wirtschaftende Unternehmen sind heute unverzichtbar für die langfristige Stabilität und gesellschaftliche Akzeptanz der sozialen Marktwirtschaft“, sagte Wirtschaftsminister Dr. Bernd Althusmann bei der Vorstellung eines Leitfadens der IHK Niedersachsen zur Corporate Social Responsibility (CSR). Autoren sind der Wirtschaftsethiker Professor Nick Lin-Hi aus Vechta und IHKN-Hauptgeschäftsführerin Dr. Susanne Schmitt. Noch vor einigen Jahren, so Lin-Hi im NW-Interview, hätten beim Thema CSR Spenden und Sponsoring im Mittelpunkt gestanden. Hier habe es einen Bedeutungswandel gegeben, so Susanne Schmitt: „An erster Stelle will jeder Unternehmer sein Unternehmen profitabel führen.“ Und genau dazu trage CSR bei, mit Verantwortungsbewusstsein, Verlässlichkeit und Ehrbarkeit – also Werten, die dem Ehrbaren Kaufmann zugerechnet werden. Deutlich werde das, so Schmitt, beim Kampf um Fachkräfte, bei der eine zum Kerngeschäft des Unternehmens passende CSR-Strategie Wettbewerbsvorteile bringt. „Denn immer mehr Menschen achten darauf, dass ihre Tätigkeit auch sinnvoll und identitätsstiftend ist. Wer dies in seinem Job findet und diesem positiv gegenübersteht, hat eine höhere Arbeitszufriedenheit und Bindung an das Unternehmen.“

„Darüber hinaus“, so die IHKN-Hauptgeschäftsführerin, „können CSR-Maßnahmen ein Unternehmen auch beim Risikomanagement unterstützen. Wer seine geschäftlichen Aktivitäten und Beziehungen in alle Richtungen verlässlich, verantwortungsvoll und transparent gestaltet – zu Kunden, Geschäftspartnern und Mitarbeitern –, stellt sein Unternehmen krisenfester auf. Im ehrlichen und vertrauensvollen Dialog werden Risiken nämlich schneller erkannt.“

Hier ein Interview mit Professor Dr. Nick Lin-Hi.  Er ist seit August 2016 Inhaber der Professur für Wirtschaft und Ethik an der Universität Vechta, den er bereits seit Oktober 2015 verwaltete. Zuvor war er seit 2009 Juniorprofessur für Corporate Social Responsibility (CSR) an der Universität Mannheim. Der Betriebswirt beschäftigt sich seit mehr als einem Jahrzehnt mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen. Seine  Arbeit zeichnet sich durch eine hohe Anwendungsorientierung aus und will einen Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung leisten.

Herr Professor Lin-Hi, Sie sagen, dass der Begriff Corporate Social Responsibility – kurz CSR oder auf gut deutsch die Verantwortung eines Unternehmens für Gesellschaft und Umwelt – seit der Wirtschafts- und Finanzkrise vor rund zehn Jahren einen Bedeutungswandel erlebt hat. Früher standen bei CSR Spenden und Sponsoring im Mittelpunkt. Und heute?

Lin-Hi: Heute geht es wesentlich mehr darum, das eigene Kerngeschäft verantwortlich zu organisieren. CSR ist eine unternehmerische Querschnittsaufgabe, die alle Wertschöpfungsbereiche betrifft – angefangen von Arbeitsbedingungen
in Lieferketten über die Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen bis hin zur familienfreundlichen Personalpolitik. Auf den Punkt gebracht: Bei CSR steht nicht
die Gewinnverwendung im Mittelpunkt, sondern die Art und Weise der Gewinnerzielung. Erst durch die hierfür notwendige ganzheitliche Verankerung von CSR im Unternehmen ist es möglich, immaterielle Vermögenswerte wie Reputation
und Vertrauenswürdigkeit aufzubauen.

Sie betonen, dass sich CSR rechnet – also verantwortlich handeln, um damit
Geld zu verdienen. Aber stehen Ethik und Eigennutz nicht in einem Konflikt?

Lin-Hi: Ethik und Eigennutz fallen sicherlich nicht immer zusammen, aber sie schließen sich eben auch nicht kategorisch aus. Je langfristiger die Perspektive, desto
einfacher wird es, Verantwortungsübernahme als Investition in den langfristigen Unternehmenserfolg zu verstehen. Letztendlich gilt es, permanent nach neuen Ansätzen zu suchen, um Win-Win-Situationen zu schaffen. Anderenfalls hat Ethik
keine Chance auf Märkten, da kein Unternehmen bereit ist, im Namen von CSR seine
Wettbewerbsfähigkeit zu gefährden.

Verantwortliches Handeln in Unternehmen wird aus Ihrer Sicht immer wichtiger, wenn es darum geht, Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten.
Können Sie das bitte erläutern?

Lin-Hi: Einfach gesagt möchten Mitarbeiter gerne für ein Unternehmen arbeiten, auf
das sie stolz sein können. Genau dieses Bedürfnis können verantwortliche Unternehmen befriedigen, da sie durch ihr Agieren nachweisen, dass sie positiv wirkende Mitglieder der Gesellschaft sind. Studien zeigen zudem, dass gerade die
Generation Y viel Wert darauf legt, für ein Unternehmen zu arbeiten, dessen Wertschöpfung gewissermaßen zu einer besseren Welt beiträgt. Arbeit mit Sinn ist
die neue Währung auf dem Arbeitsmarkt.

Als große Stärke des Mittelstandes galt immer die enge Mitarbeiterbindung – hohe Identifikation mit der Firma, geringe Fluktuation in der Belegschaft als
Ergebnis großer Verantwortung der oft familiengeführten Unternehmen gegenüber den Mitarbeitern. Man könnte meinen, CSR steckt tief in den
mittelständischen Genen. Sie sagen aber, dass gerade der Mittelstand
Nachholbedarf hat: warum?

Lin-Hi: In der Tat wird im Mittelstand vieles gemacht, was sich durchaus als CSR bezeichnen lässt. Gleichwohl lässt sich beobachten, dass es hier oftmals an ganzheitlichen Strategien mangelt und die Verknüpfung von CSR mit dem Kerngeschäft zu kurz kommt. Auch ein professionelles Management von CSR ist im Mittelstand erst in Ansätzen zu sehen. Beispielsweise werden nur selten unternehmensspezifische CSR-Leistungsindikatoren definiert und gemessen. Vermutlich hängt der Nachholbedarf im Mittelstand auch damit zusammen, dass CSR hier nach wie vor gerne mit sozialromantischen Projekten assoziiert wird und eher nicht als Produktivitätsfaktor verstanden wird.

Wer außer den Mitarbeitern achtet auf die CSR-Strategie eines Unternehmens?

Lin-Hi: Mit der 2017 eingeführten CSR-Berichtspflicht für große, kapitalmarktorientierte Unternehmen haben sich die Spielregeln deutlich verändert. Die Berichtspflicht verlangt unter anderem Auskünfte über die Handhabung von Nachhaltigkeitsthemen in Lieferketten. Die großen Unternehmen reagieren auf die neue Realität und fangen an, die CSR-Leistung ihrer Lieferanten abzufragen. Mittelständische Unternehmen, die mit berichtspflichtigen Unternehmen in Geschäftsbeziehungen stehen, werden somit über kurz oder lang nicht umhinkommen, ihre CSR-Leistung mit Zahlen zu hinterlegen. Wer das nicht kann, wird langfristig Aufträge verlieren.

Schließlich: CSR öffnet auch neue Geschäftsfelder, sagen Sie. Wie kann man sich das vorstellen?

Es gibt eine zunehmende Nachfrage nach Nachhaltigkeit auf Märkten. Nehmen wir etwa die Automobilindustrie, wo grüne Themen wie Elektromobilität und Leichtbau hoch aktuell sind. Lieferanten, die frühzeitig im Rahmen von CSR auf Umweltthemen gesetzt und in diesem Bereich Know-how aufgebaut haben, sind heute gefragte Geschäftspartner. Für die Zukunft deutet sich an, dass Transparenz von Wertschöpfungsprozessen ein großes Thema werden wird, was wiederum neue Produkte möglich macht. Wie wäre es etwa mit einem T-Shirt, dessen individueller Produktionsprozess visuell nachverfolgt werden kann? Ein solches Produkt kann man natürlich nur dann verkaufen, wenn die Arbeitsbedingungen vorzeigbar sind und die Menschen hinter der Produktion fair entlohnt werden.

Die Fragen stellte Klaus Pohlmann.

 

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