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Christian Bebek, IHK Hannover, kommentiert exklusiv im NW-Webmagazin die aktuelle Diskussion um den Verkehr in Hannover:

[/vc_column_text][vc_column_text]Die Region Hannover will, dass die Stadt Hannover restriktiver mit dem motorisierten Individualverkehr umgeht. Anders kann man die jüngsten Äußerungen von Ulf-Birger Franz, dem Verkehrsdezernenten der Region, nicht verstehen. Ausbau des ÖPNV, mehr Raum für Radfahrer, im Zweifel zu Lasten des Privatautos. Was Franz als mutiges Handeln verstanden wissen will, wird sich eher als Schuss ins Knie erweisen. Ohne die besonders solventen Autokunden im Einzelhandel und die automobilen Arbeitnehmer am Arbeitsmarkt aus mehr als 100 Kilometern Umland schiebt sich die Stadt als Wirtschafts- und Handelsstandort mutwillig ins Abseits.

Ein Großteil des Verkehrs im Stadtgebiet ist auf den wirtschaftlichen Erfolg und die Rolle als zentraler Versorgungs- und Arbeitsstandort für weite Teile Niedersachsens zurückzuführen. Auf rund 290.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze im Stadtgebiet kommen rund 160.000 Einpendler, die täglich ihre Wege in die Stadt und wieder heraus finden müssen. Dabei reicht das Einzugsgebiet der hannoverschen Arbeitgeber von Bremen bis Göttingen und von Bad Oeynhausen bis Helmstedt. Über 60.000, also zwei Fünftel der Einpendler, kommen aus Städten, die weit außerhalb der Region liegen. Oft gibt es für sie keine realistische Alternative zum Auto. Steigende Parkkosten und weitere Einschränkungen auf den Verkehrswegen lösen also nur Frust, Verkehrschaos und im allerschlimmsten Fall Abwanderung aus. Im Einzelhandel führt die Abwanderung der Kunden nicht nur in andere Städte, sondern auch in den ubiquitären Online-Handel. Von dort sind sie dann kaum noch zurückzuholen.

Der von der Region Hannover bemühte Vergleich mit dem Stadtverkehr in Wien hinkt kräftig, denn die österreichische Bundeshauptstadt ist fast viermal größer als Hannover und dabei wesentlich kompakter und dichter besiedelt. Auch der Anteil der Pendler ist relativ gesehen viel kleiner. Die Voraussetzungen, den ÖPNV zu nutzen, sind dort also ungleich besser als in Hannover. Wenn sich der „Modal-Split“, also die Verteilung der Wege auf unterschiedliche Verkehrsträger, in Hannover in den letzten Jahren langsamer als in Wien in Richtung ÖPNV bewegt, liegt dies auch daran, dass Wien in den letzten Jahren erst nachholt, was Hannover schon seit Jahrzehnten umgesetzt hat, nämlich, ein leistungsfähiges U- und S-Bahnnetz auszubauen. Auch bei den Parkgebühren liegt die Stadt Hannover heute schon annähernd so hoch wie Wien nach seiner verspäteten „Verkehrswende“. Nach den aktuell beschlossenen Gebühren wird die niedersächsische Landeshauptstadt sich sogar wieder deutlich nach oben abheben. Wo sollte sich hier also ein Nachholbedarf ableiten?

Last but not least, das 365 Euro-Ticket im sogenannten „Wiener Modell“: Soll man ernsthaft ein Modell als vorbildlich betrachten, das das Defizit in der Eigenfinanzierung des ÖPNV dort um satte 50 Mio. Euro erhöht, aber nachweislich kaum mehr Fahrgäste gebracht hat? Außer Mitnahmeeffekten nichts gewesen, denn hier werden überwiegend Menschen subventioniert, die den ÖPNV ohnehin bereits nutzen und ihn sich auch ohne weiteres leisten können. Das Gegenteil wäre richtig: Wir brauchen dringend mehr Mittel, um den ÖPNV auszubauen und attraktiver zu machen, nicht das bestehende und gut ausgelastete Angebot einfach nur billiger. Hier ist nicht der ohnehin bereits subventionierte Fahrpreis ein Problem, sondern es sind fehlende Kapazitäten, Langsamkeit, mangelnde Zuverlässigkeit sowie Sicherheit und Sauberkeit der Verkehrsmittel.

Was die engstirnige Diskussion um Modal-Split-Anteile völlig ausblendet, ist, dass das Verkehrsaufkommen bei allen Verkehrsarten ungebremst ansteigt und nach allen Prognosen auch weiter steigen wird. Die IHK sieht sich hier in ihrer langjährigen Forderung bestätigt, dass in alle Verkehrsträger investiert werden muss, wenn man nicht absehbar im Verkehrschaos versinken will. Wir brauchen neue Flächen in den Städten, um die Handelslogistik effizienter machen zu können. Hamburger Versuche zeigen, dass das Lastenrad durchaus Potenzial in der Nahverteilung hat, aber wohin mit den dafür erforderlichen Umschlagflächen? Sicher kann man darüber nachdenken, ob hierfür ein ungünstig gelegenes und deswegen schwächer ausgelastetes Parkhaus, wie in der Mehlstraße, genutzt werden kann. Dies setzt aber voraus, dass an anderer Stelle gut erreichbare und attraktive neue Parkmöglichkeiten geschaffen werden. Denn anders als zuletzt kolportiert, sind die hannoverschen Parkhäuser alles andere als schwach ausgelastet. Außerdem muss man erstmal hinfinden: Bis zu einem Drittel des Kraftfahrzeugverkehrs in den deutschen Großstädten ist Parksuchverkehr und es ist vollkommen unverständlich, warum man dieses gewaltige Potenzial zur Entlastung des Verkehrsraumes nicht endlich hebt.

Ohnehin grenzt es an Schizophrenie, in einer Stadt, die wirtschaftlich so extrem von der Automobilindustrie und ihren Zulieferbetrieben abhängt, so lustvoll auf deren Kunden einzuprügeln. Der motorisierte Individualverkehr wird durch den schon eingeleiteten Umstieg auf elektrische Antriebe in absehbarer Zeit weitestgehend emissionsfrei sein und deshalb deutlich weniger kritisch zu sehen sein. Unter diesen völlig veränderten Rahmenbedingungen braucht auch die kommunale Verkehrspolitik einen Neustart, nicht vorgeblich „mutige“ Schritte in ausgetretenen Pfaden. Vor allem brauchen wir mehr Umsicht, wovon die Menschen in Stadt und Region leben (ganz wesentlich vom Auto!) und künftig leben sollen.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column][/vc_column][/vc_row]

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